Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
»Okay, jetzt ist es nun einmal geschehen. Bleib hinter uns und sei leise.«
    »Warum?«
    »Das wirst du gleich erfahren.«
    Vorsichtig schlichen sie, Murphy voran, durch einen Gang zwischen beidseitig drei Meter hoch gestapelten Kisten und Kartons, bis sie um eine Ecke bogen und Darryls Blick auf eine lange Holzkiste mit der Aufschrift
Heinz Gewürzmischung
fiel. Oberhalb der Kiste, an einem dicken Rohr, hing unerklärlicherweise eine blutige Handschelle.
    »Scheiße«, sagte Murphy. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    Darryl fragte sich, was die beiden zum Teufel eigentlich suchten. Was hatten sie erwartet, hier vorzufinden? Einen Moment lang fragte er sich, ob Danzig zurückgekommen war.
Aber hatte die Harpune ihn nicht in die Brust getroffen und ihn sicher zum Meeresboden geschickt?
    »Ackerley«, sagte Murphy mit leicht gehobener Stimme, »bist du hier?«
    Ackerley? Nach dem suchten die beiden? Ausgerechnet hier? Wenn es so war, wovor zum Teufel hatten sie Angst? Der Mann war genauso harmlos wie seine Kohlköpfe.
    Darryl vernahm ein kratzendes Geräusch, wie ein Stift auf einem Blatt Papier, und sie schlichen zum nächsten Gang. Er war ebenfalls leer, aber das kratzende Geräusch wurde lauter. Mit vorgehaltener Waffe bog Murphy um die nächste Ecke, und dort sahen sie Ackerley – oder zumindest eine gute Kopie von ihm. Er war noch ausgemergelter als zuvor, und der Pferdeschwanz hing ihm lose am Hals wie ein totes Eichhörnchen. Um seine Schultern hing ein zerfetzter Plastikmüllsack. Er saß auf einer Coca-Cola-Kiste, und um seine Füße lagen leere Limonadendosen und verschiedene Papiere, ausgedruckte Lieferscheine, die an den Kisten geklebt hatten und auf denen er jetzt herumkritzelte. Mit einem Klemmbrett auf dem Schoß schrieb er etwas auf ein weiteres Blatt Papier. Er arbeitete mit der Konzentration eines Physikers, der gerade eine besonders komplexe Gleichung aufstellte.
    »Ackerley«, sagte Murphy, und dieser erwiderte ohne aufzublicken:
»Jetzt nicht.« Die kleine runde Brille war ihm beinahe von der Nase gerutscht.
    Murphy und Michael wechselten einen Blick, als fragten sie:
Und jetzt?
Darryl sah einfach nur entgeistert zu. Was war mit Ackerley geschehen? Seine Kehle, teilweise von dem Plastiksack verdeckt, war zerfetzt, und das Handgelenk seiner linken Hand, mit der er das Klemmbrett festhielt, schien gebrochen und gequetscht. Getrocknete Blutflecken bedeckten seine Haut.
    »Was tust du da?«, fragte Michael in absichtlich unschuldigem Tonfall.
    »Ich mache mir Notizen.«
    »Über was?«
    Ackerley schrieb weiter.
    »Über was machst du dir Notizen?«, wiederholte Murphy.
    »Darüber, wie es ist zu sterben.«
    »Auf mich wirkst du nicht tot«, sagte Darryl, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach.
    Ackerley brachte seinen Satz zu Ende, dann hob er langsam den Kopf. Seine Augen waren rotgerändert und blutunterlaufen.
    »O doch, das bin ich«, sagte er. »Aber der Prozess ist noch nicht ganz abgeschlossen.« In seiner Stimme schwang ein tiefes, gurgelndes Geräusch mit. Er nahm einen Schluck aus einer offenen Dose und ließ sie anschließend einfach fallen.
    Murphy ließ den Lauf der Waffe langsam sinken, bis er auf den Boden deutete, und Ackerley zeigte darauf.
    »Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.«
    Murphy hob die Waffe schnell wieder, und Ackerley ließ das letzte Blatt Papier zu den anderen auf den Boden schweben.
    »Ich habe sie durchnummeriert«, erklärte er, »damit ihr es nachvollziehen könnt.«
    »Was nachvollziehen?«, fragte Michael.
    »Was passiert«, erwiderte Ackerley, »hinterher«.
    Sie schwiegen. Dann zog Ackerley den Plastiksack von seiner
Kehle. Die Haut war vollkommen zerfetzt, und Darryl staunte, dass er überhaupt sprechen konnte. Die pulsierenden Stimmbänder waren deutlich zu sehen.
    »Jetzt«, sagte Ackerley und deutete mit einem Kopfnicken auf die Waffe, »solltest du besser das da benutzen.«
    »Was redest du da?«, sagte Murphy. »Ich werde dich nicht erschießen. Wir werden eine Lösung finden.«
    »Das stimmt«, warf Michael ein. »Wir werden mit Dr.Barnes reden. Es muss eine Möglichkeit geben, dir zu helfen.«
    »Benutz sie«, sagte Ackerley mit schrecklich krächzender Stimme, »und anschließend verbrennt sicherheitshalber das, was von mir übrig ist.« Langsam erhob er sich und machte einen schwankenden Schritt auf sie zu. »Andernfalls werdet ihr enden wie ich.« Alle drei wichen zurück. »Offenbar geht es ziemlich leicht von einem Wirt auf den anderen

Weitere Kostenlose Bücher