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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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erwies sich letztlich als äußerst zielgerichtet.«
    Verblüfft lehnte Michael sich zurück. Eins musste man ihm lassen: Sogar nachdem er grausam zerfleischt worden und wieder von den Toten auferstanden war, hatte Ackerley es geschafft, sich seine wissenschaftliche Distanz und einen sachlichen Prosastil zu bewahren. Die Notizen, die er im Fleischlager unter, gelinde gesagt, extremem Druck aufgeschrieben hatte, lasen sich wie ein Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift.
    »Rückblickend zielten MrDanzigs Bemühungen« –
MrDanzig?
– »so wild und unaufmerksam er auch gewesen sein mag, alle darauf ab, die Haut zu eröffnen, um Zugang zu dem Blutangebot zu erlangen. Welchen Grund es hierfür geben mochte oder welchen Blutkomponenten im Besonderen die Suche galt, war zum Zeitpunkt des Ereignisses unklar und ist es noch. Ich fühlte mich jedoch unweigerlich an den
Nepenthes ventricosa
und dessen hämatophage Bedürfnisse erinnert.«
    Seine Gelassenheit war unglaublich.
    »Der Tod – nach jeder bisherigen Definition des Begriffs – trat nach nicht mehr als einer Minute nach Beginn des Ereignisses ein. Die Zeitspanne zwischen diesem Moment und dem, was ich nachfolgend als Wiedererwachen bezeichne, ist mir nicht bekannt, doch da ich keinen körperlichen Verfall feststellen konnte, kann sie nicht besonders lang gewesen sein. (Es müssten Diagramme zu körperlichem Verfall und Zersetzungsprozessen hinzugezogen werden.) Die schnelle Kühlung meiner Überreste scheint wesentlich dazu beigetragen zu haben.«
    Die nächsten Zeilen waren hoffnungslos verschmutzt, und Michael suchte nach den nächsten nummerierten Seiten. Kurz darauf lagen sie wie Teile eines Puzzles ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch.
    »Das Wiedererwachen war ein allmählicher Prozess«, fuhr Ackerley am Rand eines Lieferscheins fort, »ganz ähnlich dem Erwachen aus einem tiefen, vielleicht hypnotischen Zustand. Der Übergang von jenem Traumzustand in die Realität vollzog sich unmerklich, obwohl darauf sofort ein Gefühl der Panik und Desorientierung folgte. Ich war umgeben von vollkommener Dunkelheit, irgendwie eingeschlossen, und zuerst hatte ich natürlich Angst, vorzeitig begraben worden zu sein. Um ehrlich zu sein, schrie ich und kämpfte gegen die äußeren Einschränkungen an und war überaus erleichtert, festzustellen, dass ich lediglich von Plastiksäcken umhüllt war, die durchlässig und leicht zu zerreißen waren.«
    Mein Gott,
dachte Michael. Ackerleys Martyrium klang wie eine Geschichte von Edgar Allan Poe, und die Tatsache, dass er selbst die Hand im Spiel hatte, verursachte ihm ein heftiges Schuldgefühl.
    »Unerklärlicherweise war mein linkes Handgelenk mit Handschellen an ein Metallrohr gekettet. Das führte mich zu dem Schluss, dass jemand – Mr O’Connor? – Grund hatte zu glauben, dass (a) ein Dritter versuchen könnte, meine Leiche zu rauben (zu welchem Zweck?) oder dass (b) mit so etwas wie dem Wiedererwachen gerechnet worden war. Mehrere Stunden Arbeit, sowie der Abrieb großer Hautteile und, wie ich glaube, das Verrenken dreier Finger waren nötig, ehe ich schließlich frei war.
    Kaum hatte ich meine Freiheit wiedererlangt, verspürte ich einen überwältigenden Durst. Alle Versuche, ihn durch Getränke zu stillen, die ich im Schuppen vorfand, erwiesen sich als nutzlos. Er wurde begleitet von einer visuellen Störung. Ich bin Wissenschaftler – oder, genauer gesagt, ich
war
Wissenschaftler, da ich davon überzeugt bin, dass mein derzeitiger, unnatürlicher Zustand ein baldiges Ende finden wird – und mir obliegt es, solange ich dazu in der Lage bin, meine Wahrnehmungen nach bestem Vermögen niederzuschreiben.«
    Michael musste nach der nächsten Seite suchen, die er unter seinem Kaffeebecher fand. Der Text war auf die Rückseite eines Werbezettels für Samuel Adams Lager notiert.
    »Alles in meinem Gesichtsfeld sah verwaschen aus. Ich kann es nur mit der Beleuchtung durch eine Reihe schwacher Leuchtstoffröhren vergleichen. Leicht dämmrig. Wenn ich ein paar Mal blinzle, wird das Bild wieder klarer. Dann verblasst es wieder. Auch jetzt tue ich es, um weiterschreiben zu können. Es ist möglich, dass die Störung der Sehkraft ein Anzeichen ist, dass der Zustand des Wiedererwacht-Seins sich dem Ende nähert. Ich versuche, schneller zu schreiben, nur für den Fall. (Bitte richten Sie meiner Mutter, MrsGrace Ackerley, French Street 505 in
Wilmington, DE aus, dass ich sie liebe, und schicken Sie ihr meine gesamte

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