Eisiges Blut
wurde. Darryl streifte Parka, Handschuhe und Schutzbrille ab und hängte alles auf einen wackeligen Garderobenständer aus Walknochen. Dann machte er sich auf die Suche nach Lawson.
Er stand auf einer Trittleiter und kümmerte sich gerade um ein Büschel reifer roter Erdbeeren, die von einem Gitter aus Sprühnebelrohren herabhingen. Sein Kopf war von weiteren glänzenden nassen Früchten umgeben, und auf den Tischen standen Container mit einem wahren Dschungel aus anderen Pflanzen, Tomaten, Radieschen, Salat, Rosen und, am schönsten von allen, Orchideen. Da waren Orchideen in rund einem Dutzend verschiedenen Farben, von weiß über fuchsienrot bis goldgelb. Die Blüten saßen auf seltsam gekrümmten Stängeln, die aussahen wie Kranichbeine.
»Was machst du denn hier?«, fragte Darryl. »Ist das nicht Ackerleys Job?«
»Ich helfe nur ein bisschen aus«, erklärte Lawson unverbindlich.
»Hier drinnen ist es wie auf Hawaii«, sagte Darryl und streckte
sein Gesicht den hellen, warmen Lampen entgegen, die an der Decke über dem Bewässerungssystem angebracht waren. »Kein Wunder, dass Ackerley es hasst, sein Labor zu verlassen.« Darryl starrte eine besonders saftige Erdbeere an und sagte: »Glaubst du, er hat was dagegen, wenn ich eine probiere?«
Lawson schaute von der Leiter auf ihn hinunter. »Nein. Nimm ruhig.«
Darryl griff nach oben, pflückte die Beere, die am tiefsten hing, und schob sie sich in den Mund. Onkel Barney bereitete in der Gemeinschaftsküche gutes Essen zu, aber es ging doch nichts über den Geschmack frisch gepflückter Erdbeeren.
»Wo ist er eigentlich?«
Lawson hob die Schultern. »Frag Murphy.«
Das erschien Darryl merkwürdig. Warum sollte Murphy das wissen? Genauso seltsam war es, dass Lawson sich in Ackerleys Abwesenheit hier zu schaffen machte. In dieser Hinsicht waren er und Darryl sich sehr ähnlich. Er mochte es nicht, wenn Fremde sich in seinem Labor herumtrieben, während er selbst nicht da war.
Wenn Darryl es recht bedachte, sah das Labor auch nicht aus wie sonst. Normalerweise war hier alles tipptopp. Doch jetzt stellte Darryl fest, dass in einem schmalen Gang offensichtlich ein paar Vitrinen umgekippt waren. Dreck und Proben von Moosen und Flechten bedeckten den Boden. Ein Besen und eine Kehrschaufel lehnten an einem der Regale, zusammen mit einem schwarzen Plastikmüllsack, der voll mit Abfall zu sein schien.
Was geht hier vor? Ist Lawson zum neuen Hilfsgärtner befördert worden?
Darryl versuchte noch ein paar Mal, ein Gespräch in Gang zu bringen, doch er hatte den Eindruck, dass Lawson ihn aus dem Labor haben wollte. Normalerweise war er recht freundlich, manchmal sogar gesellig, aber heute nicht. Vielleicht gefiel ihm seine neue Aufgabe nicht besonders, und er wollte so schnell wie möglich damit fertig werden.
Darryl dankte ihm für die Erdbeere und zog sich wieder an. Manchmal hatte er das Gefühl, er würde die Hälfte seiner Zeit am Südpol damit zubringen, dieselben Schichten Kleidung an- und wieder auszuziehen.
Er verließ das botanische Labor und kämpfte sich bis zum Hauptplatz vor, wobei er die Führungsleine immer gut festhielt. Als er sich dem Hauptgebäude näherte, erkannte er Murphy und Michael, die sich mühsam mit gesenkten Köpfen über den Platz und in Richtung der Lagerschuppen bewegten. Normalerweise hätte er ihnen etwas zugerufen, doch er wusste, dass der Wind seine Worte ohnehin verschlucken würde. Stattdessen beobachtete er nur, wie sie einen der fest verrammelten Schuppen ansteuerten, das Vorhängeschloss an der Wellblechtür öffneten und hineinschlüpften.
Darryls Neugier war geweckt. Konfrontiere einen Forscher niemals mit einem Rätsel, wenn du nicht willst, dass er versucht, es zu lösen.
Er folgte ihnen zum Schuppen und schlich hinein. Nachdem er sich die Schutzbrille heruntergerissen hatte, blickte er sich um. Er stand in einer Art Vorraum, aber sogar hier stapelten sich Kisten mit Vorräten für die Küche und anderes. Vor ihm war eine weitere Stahltür. Sie war ebenfalls geöffnet und führte, wie Darryl vermutete, in das riesige ehemalige Fleisch- und Vorratslager.
Er trat ein und blieb wie angewurzelt stehen, als Murphy sich mit vorgehaltener Waffe schnell umdrehte. Auch Michael war bewaffnet, mit einer Harpunenbüchse.
»Herrje, was machst
du
denn hier?«, flüsterte Murphy mit gepresster Stimme.
Darryl war immer noch zu schockiert vom Anblick der Waffen, um antworten zu können.
Michael senkte die Harpune und sagte:
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