Eisiges Blut
über.«
»Was?«, sagte Darryl und stieß gegen ein Regal mit Töpfen und Pfannen, die in ihren Kartons klapperten.
»Die Infektion. Entweder durch Blut oder durch Speichel. Wie HIV , es scheint bis zu einem gewissen Grad in allen Körperflüssigkeiten zu sein.« Er stolperte vorwärts und konzentrierte sich dabei auf die Waffe, während er weitersprach. »Tu es, oder ich werde dich umbringen. Ich weiß nicht, ob ich in dieser Sache eine Wahl habe.« Seine Augen hinter den Brillengläsern blinzelten träge. Mit dem Fuß kickte er eine der leeren Dosen in ihre Richtung, bis sie sich langsam auf dem Betonfußboden drehte.
Michael versuchte, ihn mit der Spitze der Harpune zurückzustoßen, doch Ackerley wischte sie beiseite.
»Nimm die Pistole«, sagte er. »Mach es richtig.«
Er ging weiter auf sie zu, und es gab immer weniger Platz, um ihm auszuweichen. Darryl trat zurück, hinter den Gang mit den Küchengeräten. Ganz nah vor sich sah er Ackerleys wahnsinnige, doch vollkommen entschlossene Augen. Er meinte es ernst.
»Schieß!«, brüllte Ackerley, und eine Blutblase stieg aus seiner
offenen Kehle auf. »Erschieß mich!«, und mit ausgestreckten Händen stürzte er sich auf Murphy.
Die Waffe ging mit einem lauten Knall los, der einige Sekunden lang im kalten Schuppen widerhallte. Ackerleys Kopf wurde zurückgeschleudert, seine Brille fiel herunter, und er stürzte auf den Betonfußboden.
Seine Augen waren immer noch offen, und seine Lippen formten noch einmal das Wort »Schieß!«, ehe er plötzlich ganz still wurde. Eine letzte blutige Blase stieg von seiner Kehle auf und zerplatzte.
Murphys Arm zitterte, bis er ihn langsam senkte.
Darryl wollte neben der Leiche niederknien, doch Michael sagte: »Warte.«
Darryl hielt in der Bewegung inne.
»Ja«, sagte Murphy mit zitternder Stimme, »gib ihm etwas Zeit.«
»Ich finde«, sagte Michael feierlich, »wir sollten noch eine Weile warten.«
Und so kauerten sie mit gesenkten Köpfen auf den Holzkisten in einem kläglichen Halbkreis um Ackerley herum. Drei Augenpaare blieben aufmerksam auf den Leichnam gerichtet. Darryl war sich nicht sicher, wie lange sie warteten, aber schließlich kniete Michael nieder, um nach dem Puls zu tasten und auf den Herzschlag zu horchen. Er schüttelte den Kopf, als er keins von beidem feststellen konnte.
»Aber ich werde trotzdem kein Risiko eingehen«, sagte Murphy, und Darryl wusste genug, um es dabei zu belassen. Murphy würde tun, was er tun wollte, und es war das Beste, nicht zu genau nachzufragen.
43 . Kapitel 20 .Dezember, 23 : 00 Uhr
Seit Monaten hatte Michael sich auf diesen Anruf vorbereitet, doch als er kam, war es trotzdem ein Schock für ihn. »Es ist ein Segen«, sagte Karen mindestens zum dritten Mal. »Wir beide kennen Krissy, sie hätte so nicht weiterleben wollen.«
Die Zeit des Wartens war vorüber. Vornübergebeugt kauerte er im engen Raum mit dem Satellitentelefon, als wollte er sich vor einem Schlag in den Bauch schützen, denn genau so fühlte er sich. Der Letzte, der auf diesem Stuhl gesessen hatte, hatte ein halbgelöstes Kreuzworträtsel auf dem Tisch liegen gelassen.
»Wann genau ist es passiert?«
»Am Donnerstag, gegen Mitternacht. Ich habe bis jetzt mit dem Anruf gewartet, weil es hier, wie du dir vorstellen kannst, ziemlich drunter und drüber ging.«
Er versuchte, sich an Donnerstagnacht zu erinnern, aber selbst nach so kurzer Zeit hatte er Mühe. In der Antarktis war alles fließend, es war schon schwierig, sich zu merken, welcher Wochentag gerade war, geschweige denn, was vor ein paar Tagen passiert war. Wo war er gewesen, was genau hatte er zu der Zeit gemacht? Aber praktisch und eigensinnig wie er war, fand er trotzdem, dass er es hätte wissen müssen, als Kristin starb und endgültig ging.
»Natürlich gibt meine Mutter jetzt insgeheim meinem Vater die Schuld. Sie glaubt, dass Kristin noch leben könnte, wenn er
sie im Krankenhaus gelassen hätte. Wenn du das leben nennen willst.«
»Für mich war es das nicht.«
Karen seufzte. »Für Krissy wäre es das auch nicht gewesen.«
»Wann ist die Beerdigung?«
»Morgen. Nur im kleinen Kreis. Ich, äh, war so frei und habe in deinem Namen ein paar Sonnenblumen bestellt.«
Das war eine gute Wahl. Sonnenblumen mit ihren unerschrockenen, hellen, gelben Köpfen waren Kristins Lieblingsblumen gewesen. »Das sind keine schüchternen kleinen Blümchen«, hatte sie ihm einmal erklärt, als sie in Idaho durch ein ganzes Feld davon geschlendert
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