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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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machte ein leises, rauschendes Geräusch, das sie nur bemerkte, wenn sie aufhörte zu sprechen. Sie war sich nicht einmal bewusst, dass sie sprach.
    »Warum«, fragte Michael noch einmal, »sind Sie niemals nach England zurückgekehrt?«
    »Wir wären dort nicht willkommen gewesen«, sagte sie schließlich, lehnte sich zurück und stützte sich auf die Hände. »Nicht … nicht so, wie wir waren. Wir wurden zu … wie nennt man das?« Sie fühlte sich benebelt, verwirrt; was immer die Ärztin ihr gegeben hatte, es schien seinen Zweck zu erfüllen. »Menschen, die aus ihrem eigenen Land vertrieben wurden?«
    »Verbannte?«
    »Ja«, murmelte sie, »ich glaube, das ist das richtige Wort. Wir waren Verbannte.«
    Sie hörte ein leises Klicken und blickte nach unten. Das rote Licht an Michaels kleinem Kästchen blinkte. »Oh, Ihr Signalfeuer ist ausgegangen.«
    »Wir machen es ein anderes Mal wieder an«, sagte Michael und hob vorsichtig ihre Beine aufs Bett. »Jetzt sollten Sie eine Weile schlafen.«
    »Aber ich muss doch noch meine Runde machen … «, sagte sie, während sie mühsam versuchte, den Kopf nicht auf das Kissen sinken zu lassen. Immer stärker spürte sie eine dringende Notwendigkeit. Warum legte sie sich nieder, wenn sie ihre Krankensäle aufsuchen musste? Warum plapperte sie weiter, während Soldaten starben?
    Sie spürte, wie man ihr die Hausschuhe auszog.
    »Aber ich bin doch mit meinen Aufgaben so weit im Rückstand … «
     
    Sobald sie die Augen geschlossen hatte, deckte Michael sie zu. Sie war schnell wieder eingeschlafen. Er packte den Notizblock und den Rekorder ein, zog den Vorhang vor und schaltete das Licht aus.
    Dann blieb er noch eine Weile wie ein Wachposten stehen und beobachtete sie in dem schwachen Licht, das immer noch in den Raum drang. Ihm fiel ein, dass er schon früher Nachtwachen wie diese gehalten hatte. Die Decke hob sich kaum, wenn sie atmete, und ihr Kopf lag abgewandt auf dem Kissen. Wo war sie jetzt? Und welche sonderbare Verkettung der Ereignisse hatte zu ihrem entsetzlichen Untergang geführt? In Ketten gelegt und ins Meer geworfen? Er wusste nicht, wie oder wann er diese Frage jemals stellen sollte. Langsam wurde die Zeit knapp, denn seine Aufenthaltserlaubnis der NSF lief in weniger als zwei Wochen aus. Aber wie würde sie reagieren, wenn sie solch ein traumatisches Erlebnis
in Gedanken noch einmal durchleben müsste? Eine seidige Haarsträhne lag auf ihrer Wange, und obwohl er den plötzlichen Impuls verspürte, sie fortzuwischen, wusste er, dass es besser war, sie nicht zu berühren. Sie war zu weit entfernt … eine Verbannte, aus einem Ort und einer Zeit, die nicht länger existierten.

42 . Kapitel 19 .Dezember, 14 : 30 Uhr
    Bis ihn die Blutprobe ablenkte, die er von Charlotte bekommen hatte, liefen die Dinge, wie Darryl fand, bestens.
    Er hatte eifrig an den Blut- und Gewebeproben des
Cryothenia hirschii
gearbeitet, jener Entdeckung, die seinen wissenschaftlichen Ruf begründen würde. Die ersten Ergebnisse waren bemerkenswert, denn das Blut dieses Fisches war nicht nur vollkommen hämoglobinfrei, sondern wies auch eine erstaunlich geringe Anzahl jener Gefrierschutz-Glycoproteine auf, über die er forschte. Mit anderen Worten, diese Spezies gedieh im eiskalten Wasser des Antarktischen Ozeans, aber nur solange sie äußerst vorsichtig war. Diese Fische waren sogar noch weniger gegen das Eis geschützt als alle anderen Exemplare, die er untersucht hatte. Der kürzeste Kontakt mit Eis würde den ganzen Körper blitzartig erfassen und ihn auf der Stelle gefrieren lassen. Vielleicht hatte er deswegen den ersten Fisch sowie die beiden anderen Exemplare, die jetzt in einem Aquarium herumschwammen, relativ nah an der Küste entdeckt, in der Nähe des warmen Wassers aus den Abwasserrohren der Forschungsstation. Möglicherweise hatten ihnen auch die Säulen aus mattem Sonnenlicht gefallen, die von den Tauchlöchern bis in die Tiefe strahlten. Was auch immer der Grund sein mochte, Darryl war dankbar, dass er sie gefunden hatte.
    Er schwelgte in all den neuen Daten, die seinen Fund zunehmend
unverwechselbar und mitteilenswert machten, als ihm einfiel, dass er Charlotte versprochen hatte, ihr einen Gefallen zu tun. Er fischte die Blutprobe aus dem Kühlschrank und stellte fest, dass auf dem Etikett lediglich die Initialen E. A. vermerkt waren, jedoch kein Name. Schnell ging er im Kopf die Liste der Beakers durch, doch keiner von ihnen hatte diese Initialen. Es musste also einer

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