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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Schritt voraus.«
    »Aber sagten Sie nicht, er käme aus einer aristokratischen Familie?«
    »Sein Vater war ein Earl, und Sinclair hätte den Titel eines Tages geerbt. Aber er hatte bereits zu häufig die Unterstützung der Familie in Anspruch genommen. Ich glaube, sein Vater war furchtbar enttäuscht von ihm.«
    Der Nebel hatte sich wie ein feiner Schleier über ihr Haar gelegt.
    »Auf der Krim wandelten sich seine Aussichten. Jeder, der dorthin ging und überlebte, veränderte sich, trug Schäden davon. Es war unmöglich, es unbeschadet zu überstehen.«
    Mit der Hand strich sie sich die Feuchtigkeit aus dem Haar.
    »Sie können nicht jede Nacht in Blut baden«, sagte sie, »und am nächsten Morgen rein und unbefleckt aufstehen.«
    Michael musste an die Kriege denken, die seitdem geführt worden waren, und an die Soldaten, die sich genauso vergeblich
bemüht hatten, die Gräuel hinter sich zu lassen. Manche Dinge änderten sich nie.
    Ohne ihn anzusehen fragte sie unvermittelt: »Was glauben Sie, wie lange ich hier noch gefangen gehalten werde?«
    Ausweichend fragte er: »Wo möchten Sie denn hingehen?«
    »Ganz einfach. Ich möchte nach Hause, nach Yorkshire. Ich weiß, dass niemand von meiner Familie mehr am Leben ist, und dass sich sehr viele Dinge verändert haben … Aber es kann nicht alles verschwunden sein, nicht wahr? Die Hügel müssen noch da sein, und die Bäume und Flüsse. Die alten Geschäfte und Dörfer sind vielleicht verschwunden, aber neue werden ihren Platz eingenommen haben. Der Marktplatz, die Kirche, der Bahnhof mit der Teestube, erfüllt von dem Duft nach heißen Scones und Butter … «
    Während sie sprach, fragte Michael sich, ob es irgendetwas von damals noch gab, ob die Hügel nicht vielleicht für einen Apartmentkomplex eingeebnet worden sind und der Bahnhof schon vor Jahren abgerissen worden ist.
    »Ich möchte nicht an einem Ort wie diesem sterben. Ich möchte nicht im Eis sterben.« Sie ließ den Kopf hängen, und die Schultern bebten bei diesem Gedanken.
    Michael berührte sie sanft und drehte sie zu sich um. »Das wird nicht geschehen«, sagte er. »Das verspreche ich Ihnen.«
    In ihren Augen sammelten sich Tränen. Verzweifelt bemüht, ihm zu glauben, blickte sie zu ihm auf.
    »Aber wie können Sie so ein Versprechen geben?«
    »Ich kann«, sagte er, »und ich verspreche, dass ich nicht ohne Sie von hier fortgehen werde.«
    »Sie gehen fort?«, fragte sie mit einem beunruhigten Unterton in der Stimme. »Wohin?«
    »Nach Hause, in die Vereinigten Staaten.«
    »Wann?«
    Er wusste, wovor sie sich fürchtete. Sie hatte nicht nur Angst,
im Eis zu sterben, sondern auch, dass ihre … Krankheit die Oberherrschaft gewann, ehe sie ihre alte Heimat noch einmal gesehen hatte. Selbst jetzt, dachte er, kämpfte sie wahrscheinlich mit aller ihr zur Verfügung stehenden Macht gegen das nahezu unwiderstehliche Verlangen an.
    »Bald«, sagte er, »bald.« Dann zog er sie in die Arme. In ihrem Haar schimmerten immer noch kleine Tropfen.
    Sie kam bereitwillig zu ihm und legte die Wange an seine Brust. »Sie verstehen nicht«, sagte sie leise, »denn wenn Sie es täten, gäben Sie nie ein solch unbedachtes Versprechen.«
    Doch Michael wusste, was er sagte.
    Er erinnerte sich an ein anderes Versprechen, das er gegeben hatte, mitten in den Bergen der Kaskaden. Und wie damals war er fest entschlossen, sein Wort zu halten, komme was wolle. »Ich werde Sie nicht zurücklassen«, schwor er.

51 . Kapitel 26 .Dezember, 9 : 30 Uhr
    Sinclair hatte seine beiden Kerkermeister gründlich studiert und versuchte zu entscheiden, welchen von beiden er klugerweise angreifen sollte.
    Der Bursche namens Franklin war offensichtlich der weniger Intelligente von ihnen, und er war misstrauischer. Wie ein Soldat in der Armee nahm er seine Befehle ernst, ohne weiter darüber nachzudenken. Ihm war gesagt worden, sich von dem Gefangenen fernzuhalten, und das tat er auch. Er weigerte sich sogar, sich in ein Gespräch verwickeln zu lassen, und steckte für die Dauer seiner Schicht seine Nase unablässig in eine dieser anstößigen Gazetten.
    Der andere, der Lawson hieß, war intelligenter, geselliger und neugieriger. Er war von dem unerwarteten Besucher aus einer anderen Zeit fasziniert. Obwohl er zweifellos dieselben Befehle wie Franklin erhalten hatte, dachte er sich nichts dabei, sich über sie hinwegzusetzen. Wenn er kam, um seine Wache zu übernehmen, konnte Franklin gar nicht schnell genug wegkommen. Lawson dagegen machte

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