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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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es sich bequem, streckte die Beine aus und lehnte sich an eine der Kisten, um sich nett und ausgiebig zu unterhalten. Sinclair war aufgefallen, wie robust seine Stiefel waren. Sie hatten dicke Sohlen und kräftige Senkel und befanden sich in einem weit besseren Zustand als seine eigenen Reitstiefel, von denen einer von dem Schlittenhund zerfetzt worden war.
    Heute hatte Lawson ein großes Buch mit vielen farbigen Bildern mitgebracht. Sinclair konnte nicht erkennen, was es war, aber er wusste, dass er es bald erfahren würde. Lawson konnte der Gelegenheit, sich zu unterhalten, nicht widerstehen. Nach ein paar Minuten Schweigen sagte Lawson schließlich: »Alles okay bei Ihnen?«
    Sinclair warf ihm einen verwirrten, aber vollkommen harmlosen Blick zu.
    »Oh, Verzeihung. Das bedeutet nur: Ist alles in Ordnung? Soll ich die Ärztin holen oder Ihnen sonst irgendetwas bringen?«
    Die Ärztin? Das wäre gewiss das Letzte, worum Sinclair je bitten würde. »Nein, nein, ganz und gar nicht.« Sinclair lächelte ihn unglücklich an. »Es ist nur die erzwungene Untätigkeit, das ist alles. Unser Freund Franklin ist keine besonders interessante Gesellschaft.«
    Warum sollte er diesem Dummkopf nicht schmeicheln?
    »Franklin ist ein feiner Kerl«, sagte Lawson. »Er befolgt nur seine Befehle.«
    Sinclair lachte leise. »Es gibt keinen schnelleren Weg direkt zur Verdammnis als den.« Er wusste, dass solch eine Erklärung unweigerlich Lawsons Interesse wecken würde. Er trommelte bereits mit den Fingern auf dem Bucheinband herum.
    Mit einem Anflug von vorgeblicher Erschöpfung erkundigte sich Sinclair nach Eleanor und ihrem Wohlbefinden. Niemand hatte ihm bisher etwas von Belang mitgeteilt, trotzdem fragte er jeden Tag, nur um die übliche vage Antwort zu erhalten. Zumindest in diesem Punkt konnte Lawson anscheinend den Mund halten. Aber was verschwiegen sie ihm? War sie wirklich gesund? Wie konnte es ihr gut gehen? Wie sollte sie das eigenartige Verlangen stillen, das keiner von ihnen jemals einem anderen Menschen würde eingestehen können? Sinclair wusste nicht einmal, wie viel länger er selbst es noch aushalten würde. Dabei hatte er den Vorteil, erst vor kurzem den Seehund geschlachtet zu haben.
    Schließlich wechselte Lawson das Thema, wie Sinclair es vorausgesehen hatte. Er war offensichtlich fasziniert von Sinclairs Odyssee, und es war klar, zu welchem Zweck er das große Buch mitgebracht hatte. Es war ein Atlas, und bestimmte Seiten waren mit kleinen farbigen Papierstückchen versehen. Lawson schlug eine dieser Seiten auf, während er das Buch auf seinem Schoß hielt.
    »Ich habe versucht, Ihre Reise von Balaklawa nach Lissabon auf der Karte nachzuvollziehen«, sagte er, wie ein Schuljunge, der sich auf eine Prüfung vorbereitet hatte, »und ich glaube, das meiste habe ich gefunden.«
    Der Mann war ein geborener Kartograph.
    »Aber in der Gegend von Genua habe ich ein wenig die Orientierung verloren. Als Sie und Eleanor die Stadt verlassen haben, sind Sie über das Ligurische Meer nach Marseille gesegelt, oder haben Sie den Landweg genommen?«
    Selbst nach so langer Zeit erinnerte Sinclair sich noch sehr gut an jeden Schritt der Reise, doch er tat so, als wäre er verwirrt. Tatsächlich waren sie in einer Kutsche gereist. Er erinnerte sich, wie sie in einem Gasthaus in San Remo, nicht weit entfernt von Genua, eingekehrt waren, wo er beim Telesina, einer Variante des Pokerns, eine bemerkenswerte Summe gewonnen hatte. Ein Mitspieler hatte ihn des Falschspiels bezichtigt, und selbstverständlich hatte Sinclair Genugtuung verlangt. Der Mann hatte angenommen, er spräche von einem Duell, und in der Tat hatte es noch am selben Abend stattgefunden. Sinclair hatte ihn mit seinem Kavalleriedegen durchbohrt, doch die wahre Genugtuung dauerte noch etwas länger. Als Sinclair mit ihm fertig war, hatte er sich in dem Hain wohlduftender Zitronenbäume das Blut vom Gesicht gewaschen, ehe er zu Eleanor in den Gasthof zurückgekehrt war, in dem sie untergekommen waren.
    »Mir fällt der Name der Stadt nicht ein«, sagte Sinclair jetzt und tat, als würde er überlegen, »aber es war in Italien. San Remo vielleicht? Gibt es so eine Stadt?«
    Er sah, wie Lawson sich über die Karte beugte und versuchte, die Reiseroute mit dem Finger nachzuzeichnen. Sein Kopf war mit einem dieser albernen Tücher bedeckt wie bei einem gewöhnlichen Matrosen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Sinclair ihn näher zu sich gelockt hatte, damit er selbst einen

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