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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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vorstellen, welche Ängste und Qualen er durchlitt. Dann tauchte Eleanor aus der Spalte auf, und Michael konnte das Seil um ihren Körper packen und sie daran aus der Gletscherspalte ziehen.
    Sie kroch auf den Schnee und atmete keuchend. Nur die grünen Augen, vor Entsetzen geweitet, waren unter der fest zugezogenen Kapuze zu erkennen.
    »Steh auf!«, sagte Michael. »Das Eis!« An ihrem Mantel klebte Schnee, ebenso an den Fäustlingen und den Stiefeln. Mit dem Handrücken wischte er so viel davon ab, wie er konnte, und half ihr rasch auf die Beine.
    »Das Seil«, sagte er. »Ich brauche das Seil.«
    Doch die Schlaufe hatte sich so sehr zugezogen, dass er sie nicht wieder aufbekam. Michael schaute erneut über den Rand der Spalte. Der Schlitten war inzwischen noch weiter nach unten gesackt und hing jetzt schräger zwischen den Wänden als je zuvor. Er streckte seinen gesunden Arm so weit nach unten wie möglich. »Stellen Sie sich auf den Schlitten«, sagte er, »und versuchen Sie, meine Hand zu ergreifen.«
    Sinclair konnte sich kaum rühren, ohne dass der Schlitten erneut verrutschte und die Kufen über das Eis kratzten. Er riss sich die Schutzbrille und die Skimaske herunter, anschließend öffnete er vorsichtig den Degengürtel, hielt ihn über den Abgrund und ließ ihn fallen.
    »Schnell!«, sagte Michael, »ehe er noch weiter absackt.«
    Vorsichtig trat Sinclair von der hinteren Kufe auf die harte orangefarbene Außenhaut des Schlittens. Die Arme ausgestreckt
wie ein Akrobat, kam er Stück für Stück näher. Die Stiefel quietschten auf der schlüpfrigen Oberfläche. Er hob die Arme und ergriff Michaels Hand. Ihre Blicke trafen sich.
    »Halten Sie sich fest!«, sagte Michael, aber Sinclairs Gewicht auf dem vorderen Teil des Schlittens war zu viel, und mit einem scheußlichen Knirschen gab er erneut nach.
    »Nicht loslassen!«, flehte Michael, obwohl er selbst langsam zum Rand gezogen wurde. Sein Atem brannte wie ein Gasbrenner in seinen Lungen, und das Eis und der Schnee unter seinen Armen begannen zu bröckeln.
    Ein feiner weißer Puder rieselte in die Gletscherspalte
    »Ich hab Sie!«, rief Michael. Während er Sinclair ins Gesicht starrte, schwebten ein paar Schneeflocken auf den Schnurrbart des jungen Leutnants und dann auf seine Wangen. Seine Züge nahmen einen verwirrten Ausdruck an. Er wollte etwas sagen, aber auf seinen Lippen bildete sich eine Eisschicht und entzog ihnen jede Farbe. Seine Zunge wurde zu einem Stück Holz. Ein gläserner Schimmer legte sich über seinen Kiefer, über seinen Hals und in Windeseile über seinen ganzen Körper, so dass er steif wurde und die Finger ihren Griff lösten.
    Der Schlitten machte ein schleifendes Geräusch und sackte um einen weiteren halben Meter ab.
    »Sinclair!«, rief Michael, doch das Einzige, was an ihm noch lebendig aussah, waren seine Augen. Dann wurden auch sie zu Eis. Sein Körper blieb noch einen Moment lang aufrecht stehen, bis der Schlitten sich plötzlich losriss und mit der Schnauze zuerst auf den Grund der Gletscherspalte stürzte. Es gab ein schreckliches Knirschen und Knattern und schließlich ein gewaltiges Krachen, als wenn ein Kristallleuchter in tausend Stücke zerspränge. Das Echo hallte von den zerklüfteten Wänden, doch die Spalte war zu tief, als dass Michael das Wrack oder Sinclair hätte sehen können.
    Als der Nachhall verstummt war, rief Michael Sinclairs Namen.
Mehrere Male. Doch es war nichts zu hören außer dem Flüstern des Windes, der seinen Weg in die gefrorene Schlucht gefunden hatte.
    Er zog seinen tauben, schmerzenden Arm aus der Spalte, robbte zurück und drehte sich auf den Rücken. Seine Lungen fühlten sich an, als würden sie gleich platzen. Eleanor stand da, wo er sie stehen gelassen hatte, den Rücken dem Wind zugekehrt und die Arme um den Oberkörper geschlungen. Sie hielt den Kopf gesenkt, und die Kapuze ihres Mantel war fest vor ihrem Gesicht zugezogen. Kein Stückchen ihrer Haut war den Elementen ausgesetzt.
    »Ist er tot?«, fragte sie, kaum hörbar unter der Kapuze.
    »Ja.«
    Die Kapuze nickte. »Und ich darf noch nicht einmal weinen.«
    Mühsam kam Michael auf die Füße.
    »Meine Tränen«, sagte sie, »könnten sich in Eis verwandeln.«
    Er ging zu ihr und legte ihr einen Arm um die Taille. Plötzlich war sie so schwach, dass er fürchtete, sie könnte in den Schnee stürzen. Vielleicht sogar absichtlich. Als er sie behutsam am Rand der Gletscherspalte entlangführte, die nun für immer ein namenloses

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