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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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meinte ganz sicher zu spüren, dass sie am liebsten reden würde. Für den Fall hatte er sich bereits die richtige Strategie zurechtgelegt.
    »Wir werden alle erdenklichen Unterlagen auf dem vorgeschriebenen Weg anfordern«, sagte er. »Aber Sie sagten ja selbst, dass das viel Zeit erfordert. In der Zwischenzeit sterben uns hier die Leute weg. Wenn ich Ihnen die Situation schildere, können Sie uns vielleicht eine Menge Zeit und Energie sparen helfen und womöglich einigen Menschen das Leben retten.«
    »Fassen Sie sich kurz, Mr. Becker. Wir sind auf unserer Station völlig unterbesetzt, den ganzen Tag ist schon die Hölle los, und ich muss gleich die nächste Schicht organisieren.«
    »Also gut, kurz gesagt: Wir haben es mit einer erschreckend hohen Selbstmordrate zu tun, und zwar ausschließlich von Patienten, die bei ein und demselben Psychiater in Behandlung sind.«
    »Gibt es Beschwerden von Patienten? Von Angehörigen von Patienten?«
    »Der Vater eines Patienten hat versucht, den Arzt zu verprügeln – das würde ich als Beschwerde bezeichnen. Eine ehemalige Patientin sagt, der Psychiater hätte sie immer wieder gedrängt, einen Abschiedsbrief zu schreiben.«
    Ein verächtliches Schnauben drang durch die Leitung.
    »Lassen Sie es mich so formulieren: Wenn wir vom National Health Service einen detaillierten Bericht über diesen Arzt
bekämen
, wäre dann damit zu rechnen, dass sich ein ähnliches Muster abzeichnet? Beachten Sie, dass ich keinen Arzt namentlich genannt habe.«
    »Es ist mir nicht entgangen, Mr. Becker. Wenn die Leutevom National Health Service endlich ihren Arsch in Bewegung setzen und eine Untersuchung durchführen würden, dann würde sich in der Tat ein ähnliches Muster abzeichnen.«
    »Gab es Hinweise auf Fehlbehandlung?«
    »Abgesehen von Fahrlässigkeit? Nichts Offizielles. Aber wenn Sie mich fragen, dann würde ich sagen, wenn jemand von einem Dach springt …«
    »Jemand ist vom Dach gesprungen?«
    »Ich bin keine verdammte Kriminalistin, aber der Fall ist mir immer höchst verdächtig vorgekommen. Wohlgemerkt, das ist meine persönliche Meinung. Es gab einen Abschiedsbrief und weitere Anhaltspunkte, die auf Selbstmord schließen ließen. Aber Sie sagten ja selbst, dass der Arzt, um den es geht, seine Patienten tatsächlich
auffordert
, Abschiedsbriefe zu schreiben.«
    »Ja. In mindestens zwei Fällen.«
    »Mir kommt das nicht gerade wie eine vernünftige therapeutische Maßnahme vor. Was halten Sie denn davon?«
    »Ich würde sagen, das schreit nach weiteren Ermittlungen.«
    »Ehrlich gesagt, Mr. Becker, Sie klingen überhaupt nicht wie ein Krankenpfleger. Wer sind Sie eigentlich?«
    »Ich bin ein Ehemann.« Das Wort
Witwer
kam ihm einfach nicht über die Lippen. Es war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, bis er
Ehemann
gesagt hatte. »Meine Frau ist neulich losgegangen, um ein paar Fotos zu machen. Dann ist sie anscheinend in den Tod gesprungen und hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
    Ein kurzes Zögern.
    »Das tut mir sehr leid, Mr. Becker. Ich werde jetzt auflegen. Sie haben mir eine einfache Frage gestellt, die ich mit einfachen Worten beantworten kann. Würden ErmittlungenÄhnlichkeiten zwischen den Vorkommnissen hier bei uns und in Algonquin Bay zutage fördern? Die Antwort auf diese rein hypothetische Frage lautet absolut unhypothetisch
ja.«
    Als er zurück aufs Revier kam, reichte ihm Mary Flower einen dicken, gepolsterten Umschlag, der an ihn adressiert war.
    »Sieht so aus, als wäre das Christkind diesmal ein bisschen früher gekommen, John«, sagte sie, dann lief sie rot an. »Tut mir leid. Dumme Bemerkung«, murmelte sie und wandte sich ab.
    Der Umschlag wies keinen Absender auf. Cardinal nahm ihn mit an seinen Arbeitsplatz, öffnete ihn und leerte den Inhalt auf seinen Schreibtisch. Sechs glänzende DVDs.

44
     
    D ie DVDs befanden sich in einfachen weißen Umschlägen mit durchsichtigen Zellophanfenstern – keine Etiketten, nur ein kleiner weißer Klebstreifen auf der Rückseite mit einer Nummer in blauer Tinte. Die Ziffer sieben war auf europäische Weise geschrieben, mit einem Querstrich in der Mitte. Cardinal schob die DVDs wieder in den Umschlag, ging ins Sitzungszimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Auf einem Wagen in der Ecke stand ein großer Fernseher mit einem kombinierten Video- und DVD-Recorder. Die Geräte wurden benutzt, um Vernehmungen von Verdächtigen, Aufnahmen von Tatorten und dergleichen abzuspielen. Cardinal nahm eine DVD aus dem

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