Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
Halsabschneiderin, die für ein Unternehmen bis zum Letzten geht?«
Caroline lachte laut auf, woraufhin seine grauen Augen ihr zulächelten. »Oh nein, ich doch nicht. Ich will mich auf Familienrecht spezialisieren.« Sie würde misshandelte Frauen vertreten, die Frauen, die von ihren erfolgreichen Ehemännern wegen einer Jüngeren ohne nennenswerte Absicherung verlassen wurden. Sie würde sie vertreten und gewinnen.
»Millionärin werden Sie auf diese Weise nicht.«
»Nein. Aber ich bewahre mir meine Selbstachtung.«
Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu, dann wandte er sich der nächsten Akte zu. »Gut. Erzählen Sie mir von der übrigen Belegschaft. Beginnen wir mit Wade Grayson.«
»Er hat Eli geholfen, die Historische Fakultät hier am Carrington College aufzubauen. Er ist ein Absolvent der Universität von Illinois …«
»Nein. Das alles kann ich nachlesen. Erzählen Sie, wie er
ist
.«
Caroline musterte ihn lange Zeit mit nüchternem Blick. »Wade ist ein guter Mann. Freundlich und sanft. Er würde sein letztes Hemd hergeben, wenn jemand in Not ist. Er ist hochintelligent, ohne eine Spur von Arroganz. Er und seine Frau leben noch immer in derselben Wohnung, in die sie eingezogen sind, als er sein Amt übernahm. Einmal wöchentlich spielen sie mit alten Freunden Canasta.«
Max machte sich auf dem Innendeckel der Akte eine Notiz.
»Was haben Sie da geschrieben?«
Max sah hoch und begegnete ihrem nüchternen Blick mit entsprechender Distanz. »Dass er loyal ist.«
Sie nickte erfreut. »Sie haben Recht.«
Er hob die Brauen. »Deswegen bin ich der Leiter der Fakultät.« Seine Bemerkung zeigte den beabsichtigten Effekt. Sie lachte laut auf. Es war ein wunderbares Lachen, das er möglichst oft hören wollte. Sie sprachen noch über drei weitere Professoren und über sechs Examenskandidaten, bevor die letzte Akte seines Stapels vor ihm lag. »Und was ist mit Monika Shaw?«
Das Lächeln verschwand abrupt, und Carolines Miene versteinerte. Nun ja, das war verräterisch, fand Max. Offenbar war sie sehr um eine behutsame Wortwahl bemüht, und er wartete geduldig ab, neugierig auf ihre diplomatischen Fähigkeiten.
»Dr. Shaw ist …« Sie zögerte, seufzte, setzte dann noch einmal von vorn an. »Dr. Shaw arbeitet sehr gründlich.«
Abwartend runzelte er die Stirn, als sie die Hände im Schoß faltete und die vollen Lippen zu einem dünnen Strich zusammenpresste.
»Und?«
»Das ist so ziemlich alles.«
»Das kann doch nicht sein, Caroline.«
Nun war sie es, die die Stirn runzelte und stocksteif auf ihrem Stuhl saß. »Das ist alles, was Sie von mir zu hören bekommen.«
»Es verrät mir eine ganze Menge.«
Ihr verkrampftes Schulterzucken verriet ihm sogar noch mehr. »Bitte, Dr. Hunter. Max«, fügte sie rasch hinzu, als er den Mund öffnete, um sie zu korrigieren. »Bitte verlangen Sie nicht, dass ich noch mehr zu dem Thema sage. Sie werden sich, wie in Evies Fall, Ihr eigenes Urteil über uns alle bilden müssen. Mich eingeschlossen. Ich möchte Sie nicht gleich an Ihrem ersten Tag mit irgendwelchen Geschichten belasten.«
Er fragte sich, ob ihr bewusst war, dass ihr näselnder Dialekt zum Vorschein kam, wenn sie sich aufregte. Unter anderen Umständen hätte er das reizend gefunden, doch im Augenblick hörte er nur ihre Not heraus. »In Ordnung.« Er wehrte sich gegen das Gefühl der Enttäuschung, als sie sich erhob. »Das reicht für einen Tag. Wann lerne ich sie kennen?«
»Wen?«
»Dr. Shaw.«
Tausende von Emotionen spiegelten sich in rascher Folge in ihren ausdrucksvollen Augen wider. Zorn und Abneigung hatte er erwartet, doch die Selbstzweifel in ihrem Blick bestürzten ihn. Monika Shaw vermittelte Caroline ein Gefühl der Unterlegenheit. Das war deutlich zu erkennen. Irgendwie weckte das Max’ Zorn.
»Sie treffen sie um halb drei. Falls Sie noch etwas brauchen, rufen Sie mich einfach.
Sevier County, Tennessee
Montag, 5. März, 15:30 Uhr
Langsam näherte sich Winters der polizeilichen Autowerkstatt von Sevier County, und jeder Schritt fiel ihm zunehmend schwer. In der Garage von Asheville war er wohl hundert Mal gewesen, vielleicht sogar tausend Mal im Lauf seiner Karriere bei der dortigen Polizeibehörde. Doch bisher war das immer im Rahmen seiner Pflichtausübung geschehen. Heute … Er schob die schwere Stahltür auf, und sein Herzschlag beschleunigte sich zu einem Rasen. Heute hatte er den Ort gesehen, an dem sein Sohn sich aufgehalten hatte, bevor er … ihm genommen
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