Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
Caroline, sich auf das Bett niederzulassen, wo sie sitzen blieb, während er zu Tom hinüberhinkte, der gelähmt vor Schock noch immer an derselben Stelle stand. »Tom! Tom, hör mir zu. Sie ist gerettet.« Er schüttelte Tom heftig, und die Augen des Jungen wurden wieder klar.
»Er ist tot«, flüsterte Tom.
»Nein, er ist nicht tot. Deine Mutter hat ihn nicht umgebracht«, entgegnete Max mit fester Stimme. Er taumelte, als Tom ihn von sich stieß, um neben der geschundenen Gestalt am Boden auf die Knie zu sinken.
»Tom!« Caroline ließ sich vom Bett auf den Boden gleiten und schleppte sich zu Tom, als ihr Sohn die Hände in Winters’ Hemd krallte und den Bewusstlosen hochzerrte.
»Wach auf«, knurrte Tom und schüttelte Winters’ reglosen Körper. »Wach auf, damit ich dich eigenhändig umbringen kann.« Dann ließ er Winters’ Hemd los und schlug ihn mit einem mächtigen Fausthieb gegen das Kinn, so hart, dass auch ein unverletzter Mann zu Boden gegangen wäre. Winters wurde zurückgeschleudert, ein leises Stöhnen drang über seine geschwollenen Lippen. Tom warf sich über ihn und hieb unablässig auf seinen Körper ein, während Caroline versuchte, ihn zurückzuhalten. Es war aussichtslos.
»Hör auf, Tom, hör auf! Max, hilf mir!«
Max hatte sich mühsam auf sie zubewegt und war in diesem Augenblick zur Stelle. Mit beiden Händen packte er Toms Schultern und riss ihn mit aller Macht zurück. Plötzlich griffen zwei weitere Hände nach seiner Hüfte und zogen ihn von Winters fort.
»Nein, Tom.« Es war David. »So nicht. Nicht auf
seine
Weise.«
Tom warf sich zurück, prallte gegen Max’ Oberkörper, und beide stürzten zu Boden. Der Junge kämpfte wild, schlug mit den Fäusten um sich und keilte mit den Füßen aus, doch Max hielt seinen Oberkörper fest umklammert, während David seine Füße im Griff hielt, bis Tom endlich ruhiger wurde.
David wälzte sich zur Seite, und Max beugte sich über Tom. Schweiß tropfte von seiner Stirn auf das Gesicht des Jungen. »Herrgott noch mal, Tom.« Aus den Augenwinkeln nahm Max ein silbriges Aufblitzen wahr, wandte den Kopf und sah Lieutenant Ross mit gezogener Waffe an der Tür stehen. Mit einem raschen Blick hatte sie die Szene erfasst. Ihre Augen waren auf Winters’ verkrümmte, blutige Gestalt gerichtet. Sie sah Max an und nickte. Dann ließ sie die Waffe sinken, doch ihre Finger lagen immer noch um den Abzug der schussbereiten Waffe.
Für einen Moment waren schwere Atemzüge das einzige Geräusch im Raum, dann entfuhr Tom ein ersticktes Schluchzen.
Caroline schob Max sanft zur Seite und nahm Tom in die Arme. »Alles ist gut, Schatz. Ist ja gut.« Sie wiegte Tom in ihrem Arm und murmelte besänftigende Worte.
»Ich will, dass er tot ist. Bitte, Mom, bitte.« Toms Schluchzen war kaum zu hören. »Bitte, Mama.«
»Das will ich auch, Schätzchen«, flüsterte Caroline, und der Singsang ihrer Worte bekam etwas Hypnotisches. »Ich auch.« Sie fing Max’ Blick auf und sah ihn ratlos an.
»Er hat darauf bestanden mitzukommen, Caroline«, erklärte Max leise. »Ich habe es nicht fertig gebracht, es ihm zu verbieten.« Max fuhr sich mit gespreizten Fingern durch sein Haar. »Er konnte sich an diese Hütte erinnern. Ohne ihn hätten wir dich nie gefunden.«
Ihre geschwollenen Augen füllten sich mit Tränen, die zwischen ihren Wimpern hervorquollen. »Ach, Schätzchen.« Sie legte die Wange auf Toms Scheitel und drückte den Jungen an sich. »Du hast es geschafft. Du hast mir das Leben gerettet.«
Toms Schluchzen hatte sich beruhigt, trotzdem ließ er sich weiterhin von seiner Mutter wiegen. »Ich wollte ihn schon immer umbringen. Jedes Mal, wenn er dich angefasst hat, habe ich davon geträumt, ihn umzubringen.« Er hob den Kopf, schluckte und strich mit einer zärtlichen Geste über das zerschlagene Gesicht seiner Mutter. »Jedes Mal, wenn er dein Gesicht so zugerichtet hat. Es tut mir Leid, Mama. Es tut mir so Leid, dass wir nicht rechtzeitig hier waren.« Er warf einen bitterbösen Blick auf Winters’ bewusstlose Gestalt. »Ich möchte ihn immer noch umbringen, für all die Male, die er dir wehgetan hat.« Wieder strich er mit dem Handrücken behutsam über die Wange seiner Mutter. Bei seinen nächsten Worten klang seine junge Stimme hart und kalt. Erwachsen. »Aber umbringen könnte ich ihn nur einmal. Dadurch hätte ich keine Genugtuung für die tausend anderen Male. Ich werde mich mit dem Wissen zufrieden geben müssen, dass jeder Sträfling im
Weitere Kostenlose Bücher