Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Post-it-Blöcken. Die Sachen von der Pinnwand lagen in einer Plastiktüte, darunter auch Fotos von ihr und Maria. Er hatte sie einmal geliebt, davon war sie überzeugt. Aber wann hatte das aufgehört? Welchen Teil seines Lebens hatte er vor ihr geheim gehalten? Er hatte Affären gehabt, das wusste sie ja. Aber hatte es da noch etwas anderes gegeben?
Das teure Haus? Die teuren Autos? Das Boot? Die vielen Luxusreisen? Woher kam das Geld dafür?
Erik stammte nicht aus einer wohlhabenden Familie, vielmehr aus einer Selfmade-Familie. Das hatte sie damals fasziniert. Als Erik und sie sich kennenlernten, hatte sein Vater gerade sein Bauunternehmen zugrunde gerichtet. Aber seinen Erfolgsstorys hörten sie begierig zu, vom Leben in Saus und Braus. Das hatte eine große Anziehungskraft gehabt, und zusammen mit Erik hatte sie von einem Leben auf der Überholspur geträumt. Und dann war es plötzlich da, auf einmal frequentierten sie die edleren Restaurants, der Toyota wurde gegen einen BMW getauscht, Eriks Anzüge waren von Armani, die Ferien wurden nicht an den Stränden von Europa verbracht, sondern an exotischen Orten dieser Welt und in legendären Hotels, und sie konnte mit Eriks Platinkarte bewaffnet einkaufen, wo sie wollte. Ihre Kindheit in Spanien, geprägt von finanziellem Mangel, hatte ihre Spuren hinterlassen. Sie hatte sich geschworen, eines Tages reich zu sein, und nun war der Traum in Erfüllung gegangen und sie hatte es genossen und alle Fragen beiseitegeschoben.
Felix nahm einen Schluck Tee. Sie war so dumm gewesen.Nun trug sie Klamotten aus dem Supermarkt und die teure Garderobe hing im Schrank in Skåde. Aber die interessierte sie nicht mehr. Wie sich herausstellte, hatte Erik überall Schulden und diese Blase war geplatzt. Aber auch das war unbedeutend, vorher gab es das Geld, jetzt war es eben weg. Und jetzt saß sie in einem Haus an der Klippe, am Ende der Welt, bei ihrem Nachbarn, der so anders war als jeder Mann, den sie jemals kennengelernt hatte.
Peter Boutrup. Von außen betrachtet, war er ein normaler Mann mit Job, Haus und Hund. Aber da gab es noch eine zweite Ebene, die man auf den ersten Blick nicht sah. Sie wusste praktisch nichts von ihm, ahnte aber, dass sie zwar sehr verschieden waren, sie aber eines verband: Der Versuch zu überleben, sich aus dem Abgrund wieder an die Oberfläche zu kämpfen, wo sie nur Hass, Ohnmacht und Angst erlebt hatten. Aber es war schwer und erforderte einen fast übermenschlichen Einsatz und unter Umständen einen sehr hohen Preis. Davor hatte sie am meisten Angst, vor dem Preis, den sie für die Gewissheit bezahlen musste. Peter war schon weiter als sie, aber welchen Preis hatte er zahlen müssen?
Als sie die Zeichnungen von Maria entdeckte, auf denen sie Mama, Papa, Haus und Katze dargestellt hatte, überkam sie die Trauer in großen Wellen, sie wurde fast seekrank davon. Lauter frohe Menschen ohne Sorgen.
Da erinnerte sie sich an das Moleskine-Notizbuch in ihrer Handtasche, das sie zusammen mit dem Teddybären von ihrem alten Zuhause mitgenommen hatte. Sie holte es hervor und sah es sich ein zweites Mal an, nur gründlicher. Ein ordentlich zusammengelegtes grünes Papier weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie faltete es auf, musste zweimal lesen, um zu verstehen, worum es sich handelte. Es gab so vieles, was sie an Erik nicht mehr verstand.
Das Schriftstück war mit einem Datum versehen: 20. Juli 2009. Zwei Tage vor dem fatalen Hubschrauberabsturz. Der Briefkopf war von der Polizeidirektion Århus und es war eine Quittung vom Fundbüro. Ausgestellt auf Erik Gomez Andersen, der niemals in seinem Leben – zumindest nicht in seinem neuen Luxusleben – mit dem Zug gefahren wäre. Aber da stand es Schwarz auf Grün, dass er eine Aktentasche abgegeben hatte, die er im Zug von Århus nach Kopenhagen gefunden hatte.
Felix legte die Quittung in ihr Portemonnaie. Erik war viel zu beschäftigt und vor allem zu egoistisch gewesen, um die Aktentasche eines anderen zum Fundbüro zu bringen.
Nachdenklich räumte sie die Kisten wieder ein, stapelte sie aufeinander und machte sich eine zweite Tasse Tee, um Ordnung in ihre Gedanken zu bekommen. Es gab nur eine vernünftige Erklärung dafür, warum Erik die Aktentasche ins Fundbüro gebracht hatte. Sie gehörte nicht einem anderen, sondern ihm selbst.
K APITEL 44
Nach seinem Besuch bei Stinger verabschiedete sich Peter von Elisabeth und ging hinunter in die Cafeteria, denn er hatte eine Verabredung.
Ingrid Andersen winkte ihm
Weitere Kostenlose Bücher