Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
irgendwo gewohnt haben.«
Sie sah zu Mark und er ahnte, was als Nächstes kommen würde.
»Mark, wir würden hierfür gerne deine Lokalkenntnisse in Anspruch nehmen.«
Kein Hauch von Ironie lag in ihrer Stimme, aber er spürte die Unruhe im Raum. Natürlich wussten die anderen darüber Bescheid, dass er mit Gry vor ihrem Tod im Hotel zusammen gewesen war. Glücklicherweise wussten sie aber auch, dass der Mann an der Rezeption ihn entlastet und die Cola-Geschichte bestätigt hatte. Aber sein Verhalten wurde nicht respektiert.
Anna Bagger räusperte sich.
»Bitte versuch so viel wie möglich herauszubekommen. Was wissen Grys Kolleginnen? Wann haben die Tora zum letzten Mal gesehen? Und unter welchen Umständen? Mit wem wurde sie noch gesehen?«
Sie zeigte auf zwei Kollegen im hinteren Teil des Raumes.
»Ihr fahrt zu Grys Eltern und unterhaltet euch mit denen. Die wohnen in Rønde. Was für ein Mädchen war sie? Wer waren ihre Freunde? Was für ein Leben hat sie geführt?«
»Wo hat sie denn gewohnt?«, fragte Mark. Anna Bagger blätterte in ihren Unterlagen.
»Fredensgade 27. Wir sind gestern Abend sofort dorthingefahren und haben alles versiegelt. Aber vielleicht findest du noch Hinweise.«
»Was ist das für eine Wohnung?«
»Vermietung von Privat, eine kleine Wohnung. Insgesamtbesteht das Haus aus vier Parteien, der Eigentümer wohnt in einer davon. Die anderen drei hat er an junge Mädchen vermietet, die vermutlich in derselben Branche arbeiten wie Gry, aber das müssen wir überprüfen. Die heißen …« Sie warf einen zweiten Blick auf die Papiere vor sich.
»Helle Bjergager und Iben Bank. Wir haben Iben Bank bereits verhört, aber ohne Ergebnis. Sie gab an, den gesamten Dezember bei ihrer Schwester in Århus verbracht zu haben, und die Schwester hat das bestätigt. Aber Helles Aussage fehlt noch, sie haben wir gestern Abend nicht angetroffen.«
»Habt ihr sonst noch was?«, fragte Mark.
Anna Bagger zögerte.
»Na ja, wir haben keine Belege für die Mietzahlungen gefunden, das scheint unter der Hand gelaufen zu sein. Oder aber es gab eine andere Zahlungsmodalität zwischen Vermieter und Mieterinnen.«
Zehn Minuten später stand er vor einem verfallenen Haus im Norden der Stadt und klingelte. Ein ungepflegter Mann mittleren Alters mit einem fleckigen Pullover öffnete ihm. Der Dreitagebart verdeckte das Doppelkinn und seine uralte Hose wurde nicht von einem Gürtel gehalten, sondern von einer roten Schnur. Unter dem ockerfarbenen Pulli trug er ein rotkariertes Hemd aus dicker Baumwolle.
»Asger Toft?«
»Schon wieder Polizei?« Er musterte Mark missbilligend, der ihm freundlich zunickte.
»Können wir uns irgendwo hinsetzen und uns unterhalten?«
Der Mann schüttelte den Kopf, ließ Mark aber eintreten. In dem dunklen Flur roch es feucht und muffig, die Tapete löste sich von der Wand.
»Sie sind der Eigentümer?«
Sie standen im Wohnzimmer, das so vollgestellt war, dass man sich kaum bewegen konnte. Es sah aus wie auf einem Trödelmarkt. Asger Toft gab an, dass er das Haus von seiner Mutter geerbt hatte, die 1997 verstorben war. Gry habe seit einem halben Jahr dort gewohnt, die beiden anderen Mädchen seit einem Dreivierteljahr.
»Kannten die drei sich?«
»Natürlich kannten die sich.«
»Sind sie demselben Gewerbe nachgegangen?«
»Davon weiß ich nichts. Die wohnen hier nur.«
Wenn er sprach, war ein Klicken zu hören, Mark vermutete die dritten Zähne.
»Hatten die Hausbesuche?«
Der Mann zuckte mit den Schultern.
»Darauf habe ich nicht geachtet. Aber Gäste sind nicht erlaubt, das kostet extra.«
»Wie teuer war die Wohnung von Gry?«
Nach einem kurzen Schweigen, klickte es und er antwortete:
»Dreitausend.«
»Darf ich mal die Quittung sehen?«
»Sie war im Rückstand.«
»Wenn sie im Rückstand war, warum durfte sie dann dort wohnen bleiben? Hat sie vielleicht auf andere Weise bezahlt?«
Zwei kleine Augen starrten ihn aus dem verquollenen Gesicht an.
»Ist das verboten?«
Mark nickte. »Das ist Zuhälterei. Sie haben sich die Miete also mit Sex bezahlen lassen. Haben Sie auch von ihren Einnahmen profitiert?«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen. Ich hab doch schon gesagt: Gäste kosten extra.«
Mark hörte ein Geräusch im Treppenhaus und sprang zur Tür. Draußen stand ein junges Mädchen, genauso abgemagert und verwahrlost wie Gry.
»Bist du Helle?«
»Und wer will das wissen?«
Er erkannte sie wieder, sie hatte mit Gry unten am Hafen gestanden.
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