Eiskalte Angst
doch nichts ändern konnte. Er war zu dem gemacht worden, was er war. Ein Verratener. Ein Monster! Das hatte er Regus zu verdanken, den er getötet hatte. Geändert hatte das nichts.
Und ich?, fragte sich Caroline, während sie die kleine Versammlung nicht aus den Augen ließ. Und ich? Ich war tot. Ich war ein Geist. Ich wurde aus dem Totenreich zurückgeholt und seitdem bin ich etwas, für das es keinen Begriff gibt. Die Liebe habe sie und Frederic wieder vereint, hatte Madame DeSoussa gesagt und damit hatte sie recht gehabt.
Denn die Liebe war die stärkste Kraft, die es gab.
Das änderte jedoch nichts daran, dass sie beide
Kreaturen!
Wesen waren, für die es keinen Vergleich gab. Wenn sie ihre Mächte vereinten, Kraft und Intelligenz, Bewegung und Ruhe, Blutdurst und Kampfkraft, Sensibilität und Rachedurst, Liebe und Liebe – waren sie eins, waren sie die Nachtjäger.
Einsam in Zweisamkeit.
Verloren in der Nacht.
»Da«, zischte Frederic unversehens.
Caroline sah es auch.
Ein Licht begann, sich über die Gruppe zu wölben, ein konisches Dach, welches hellblau, dann grünlich flimmerte und von den Hauswänden reflektierte, so hell, als wolle es Zuschauer provozieren, Bürger aus den Betten locken, Betrunkene aus der Gosse und Hungernde aus den Torwegen.
Es hatte begonnen.
In aller Öffentlichkeit.
Ein Ritual, für dessen Anmutung Caroline keine Worte fand.
Ihr Katzensinn spürte die Bewegung unter sich und hätte sie Fell gehabt, hätte es sich gesträubt. Sie wirbelte herum und entkam nur mit einer blitzschnellen Bewegung, einem Sprung nach hinten und einem Salto rückwärts, der Kreatur, die sich auf sie stürzte. Sie rutschte vom Dach, hielt sich mühsam an der Regenrinne fest, die sich knirschend nach unten wölbte, und fiel zwei Stockwerke tiefer geschmeidig auf die Füße. Über ihr vereinten sich zwei Schatten.
Frederic und der Angreifer, der vermutlich nur Caroline wahrgenommen, aber Frederic nicht gesehen hatte.
Die Gruppe fuhr herum.
Das Licht über ihnen waberte und erlosch.
Caroline stand im Mittelpunkt des Interesses. Alle Augen, weiße und rote Blitze unter Kapuzenrändern, starrten sie an. Sie überlegte rasch, was sie tun sollte. Flüchten wie eine Katze im Schatten oder sich den Angreifern stellen? Außerdem lenkten nun die Kämpfenden auf dem Dach die Blicke der Vampire auf sich. Es knirschte, als Zähne ausfuhren und Knochen sich veränderten, als Fingernägel zu Krallen und Arme länger wurden, als Muskel wuchsen und Gelenke geschmeidig wurden wie Sprungfedern.
Über Caroline krachte es. Ein Körper rumpelte über die Ziegel und knallte direkt neben ihr auf das Kopfstein. Es war der Angreifer, dessen Kopf verrenkt war. Er hatte sich das Genick gebrochen. Mit einem Sprung war Frederic neben Caroline. Im selben Moment schnellte der vom Dach gestürzte Vampir hoch, renkte sich mit einem hölzernen Krachen den Nacken ein und der Kampf setzte sich fort.
Liebe Güte, sie hatten sich verhalten wie Anfänger, wie Kinder, die das Gespräch eines Nachbarn belauschten und vom Apfelbaum plumpsten.
Die Gruppe der Vampire schien sich ihrer so sicher zu sein, dass sie gelassen auf Caroline und Frederic zukamen. Neun, nein zehn Personen, die ohne Furcht waren. Keiner von ihnen machte Anstalten, anzugreifen, vielmehr wirkten sie wie Bauern, die einen Jungen beim Äpfel klauen erwischten und sich vergewissern wollten, wie viel Mut in dem Knaben steckte.
Frederic war wie eine gespannte Sehne, bereit, jederzeit zuzuschlagen.
Caroline neben ihm spürte seinen Atem, seine Energie und wie stets, mischte sich ihre mit seiner Kraft. Sie waren ein eingespieltes Team, das manchen Kampf bestritten hatte. Niemand wusste, wer sie waren. Sie gaukelten der Öffentlichkeit eine bürgerliche Existenz vor. Ihre Arbeit begann in der Nacht:
Tagsüber waren sie ein verheiratetes Paar mit Butler und Hausmädchen.
Sie eine reiche Erbin, er ein ehemaliger Advokat, der privatisierte.
Nachts waren sie der Schrecken der Vampire und heute konnte es sein, dass ihr mühsam errichtetes Kartenhaus in sich zusammenfiel. Heute waren sie ohne Ludwig losgezogen. Sie wollten nicht, dass er sich in Gefahr begab und das war sicherlich gut so. Vermutlich suchte der eine oder andere Vampir schon die Nebengassen ab.
»Wer treibt sich da auf dem Dach herum?«, fragte einer der Vampire, wie alle anderen mit einem unter der Kapuze verborgenen Gesicht. »Haltet ihr uns für so dumm, dass wir euch nicht gespürt
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