Eiskalte Angst
Dämon der Kälte hinter Marco und April her.
Marco rutschte aus, wenige Meter bevor sie den Ausgang erreicht hatten , wirbelte halt suchend mit den Armen und fiel hintenüber mit dem Kopf auf das Eis.
April wurde mitgerissen, stolperte vornüber und konnte sich auf den Handflächen abstützen. Sie krabbelte auf den Knien zu Marco hin. Aus seinen Ohren rann Blut. Seine Lider flatterten, er seufzte erbärmlich, dann zuckte sein Kopf zurück und seine Augen starrten weit aufgerissen ins Nichts.
27
Aprils verzweifelter Schrei übertönte den Lärm. Sie warf sich über Marco, schüttelte ihn an den Schultern. Ohne zu überlegen sprang sie auf, griff den Mann unter den Achseln und zerrte ihn über den eisigen Boden zum Ausgang hin. Wenn er schon starb, sollte es nicht hier drinnen geschehen.
Mit übermenschlicher Kraft gelang es April, den schweren Körper draußen in den Schnee zu betten. Schweißüberströmt und schwer atmend sank sie neben Marco in die Knie.
»Marco ...«, jammerte sie und Tränen liefen über ihre Wangen. »Bitte sterbe nicht ... bitte.«
Dünne Rinnsale Blut sickerten aus seiner Nase.
Hatte Marco nicht gesagt, sie wäre nun eine der Oberen und würde über ebenso viel Kraft verfügen?
Wenn dem so war, dann ...
April wischte sich Tränen und Schweiß aus dem Gesicht und hob ihre Hände über Marcos Körper. Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich. Sie erinnerte sich an das, was Marco getan hatte, als er den Skifahrer geheilt hatte.
Nichts geschah!
Werde gesund, bitte werde gesund!
Sie strich mit ihren Handflächen über seinen Körper.
Ohne Erfolg!
Es würde nicht gelingen. In diesem Moment spürte sie ein feines Kribbeln in ihren Fingerspitzen, so, als sei sie mit schwachem Strom geladen. Zwischen ihren Fingern zischelten winzige elektrische Entladungen, die wild zwischen Marco und ihr hin und her tanzten. April formte ihre Hände zu einer Glocke und legte sie über Marcos Kopf. Durch ihren Körper summten Vibrationen, ähnlich denen, die sie im Inneren der Höhle wahrgenommen hatte. Basslautsprecher ohne Töne.
Werde gesund, bitte werde gesund!
Marco stöhnte und sein Körper reckte sich. Mit einer Hand langte April in den Schnee und reinigte damit vorsichtig Marcos Gesicht. Die andere Hand schwang wie fremd gesteuert über seinem Oberkörper, während April ihre Energie auf Marco übertrug und ihm ihre Kraft spendete.
Dann brach der Strom ab und April wurde wie von einer unsichtbaren Faust zurückgeschleudert. Sie landete auf dem Hintern.
Marco richtete sich auf. Er wischte sich über seine Haare und blickte desorientiert um sich. »Was ist geschehen?«, stammelte er.
»Ich habe mich revanchiert.«
Marco rappelte sich hoch wie ein neugeborenes Rehkitz und seine wackeligen Beine unterstrichen diesen Vergleich noch. »Der Sturz ... dann war ... alles dunkel ...!«
April schluchzte hemmungslos.
Marco musterte sie schweigend und nun wurden auch seine Augen feucht. Er nickte. »Du hast mich ... geheilt, nicht wahr?«
April konnte nur nicken.
Marco kniete sich vor sie in Augenhöhe. Ihre Blicke trafen sich, versanken ineinander und für diesen Augenblick gab es keine Gefahr, kein Inferno und keine Sekte mehr. Dieser Augenblick gehörte ihnen und währte auf zauberhafte Art unendlich.
Über ihnen grollte es und der Berg bebte wie ein Monster, das aus seinem Schlaf erwacht.
Marco brach die Stille und wies nach oben. »Da - wie ich’s mir dachte ! Komm!«
Der Gipfel, den man nur erahnen konnte, lag in einer weißen Schneewolke, während Schollen, so breit wie Baseballfelder den schrägen Hang herabrutschten.
Sie halfen sich hoch und taumelten davon, quer über den Platz. Hinter ihnen brach der Höhleneingang zusammen, von innen verstopfte Eis die Öffnung und verschloss ein für alle Mal sein düsteres Geheimnis.
Die Lawine näherte sich dem Platz, auf dem der Helikopter stand, in rasender Geschwindigkeit. Dann wieder stockten die gewaltigen Schneemassen und es sah aus, als wolle die Lawine zur Ruhe kommen, aber das war nur eine Illusion. Sie ruhte nicht, sondern sammelte mehr Schnee, vergrößerte sich und nahm wieder Fahrt auf.
Der Anblick war grandios und strahlte trotzdem höchste Gefahr aus.
»Wohin sollen wir?«, rief April erschüttert. »Wo können wir uns verstecken?«
»Komm!« Marco hetzte voran. »Da geht es zu der Höhle, durch die wir gekommen sind. Selbst wenn die Lawine hinter uns den Eingang verschließt, bleibt uns immer noch der
Weitere Kostenlose Bücher