Eiskalte Berührung - Cole, K: Eiskalte Berührung
sie musste feststellen, dass die Wirkung der Translokation dem in nichts nachstand. Zuerst fühlte sie sich etwas wackelig, aber die Luft roch nach Hochwasser im Bayou, was sie mochte, und war drückend feucht. Sie waren in New Orleans, aber wo genau?
»Wo sind wir hier?«, fragte sie. Sie löste sich von ihm, um sich umzusehen.
»In einer alten, restaurierten Zuckerrohrmühle nördlich der Stadt«, antwortete Wroth. »In der ich in der Zeit gewohnt habe, als ich Nacht für Nacht die Straßen nach dir absuchte, solange ich die Kraft dazu hatte. Ehe ich vor Schwäche und unerträglichen Schmerzen zusammenbrach.«
Rasch wandte sie den Blick ab und versuchte die aufkommenden Schuldgefühle zu ersticken – und da entdeckte sie seine Autos. Sie bemühte sich, cool zu bleiben, aber natürlich bekam Wroth mit, dass sie sie angestarrt hatte – besonders den Maserati Spyder. Ihm war ihre anerkennende Miene nicht entgangen, als sie für den Bruchteil einer Sekunde ihre Mimik nicht im Zaum halten konnte. Walküren schätzten wertvolle Dinge. Sie waren schrecklich habgierig, dagegen konnten sie einfach nichts machen. Ihre eigene Mutter hatte Myst erzählt, dass ihr erstes Wort – grob übersetzt – »Haben!« gelautet hatte.
Er öffnete die Tür des Spyder, und sobald sie eingestiegen war, kuschelte sie sich in das weiche Leder – sie liebte den Wagen. Nachdem er ebenfalls eingestiegen war, warf er ihr einen unergründlichen Blick zu. »Wir können uns glücklich schätzen, Myst. Als meiner Frau wird es dir an nichts mangeln.«
Sie hatte schon genug Glück. Ihr hatte es auch vorher an nichts gemangelt. Sämtliche Erträge aus den Investitionen des Kovens wurden unter seinen Mitgliedern aufgeteilt, und ihre Einnahmen waren stets üppig. Sie hatte genug Geld, um sich jedes Kleidungsstück zu kaufen, das ihr gefiel, oder handbemalte Dessous im Wert von zweitausend Dollar, um ihrer Sucht zu frönen.
»Oh, welche Freude. Ich bin reich«, murmelte sie mit tonloser Stimme.
Er befahl ihr, ihm den Weg zu ihrem Zuhause zu zeigen, was an und für sich kein unverzeihliches Verbrechen war. Sie hielten ihre Adresse nicht geheim, als ob es sich um Batmans Höhle handelte, doch verirrten sich nur selten Besucher nach Val Hall. Als er beim Anblick des Herrenhauses zischend den Atem ausstieß, wusste sie auch wieder, warum.
»Hier lebst du?«, stieß er hervor, die Unterarme auf den Lenker gelegt, der Tonfall ungläubig.
Sie bemühte sich, es aus seiner Perspektive zu sehen. Nebel hatte sich wie ein Leichentuch über den Besitz gelegt, der im Stakkatorhythmus von Blitzen erleuchtet wurde. Überall standen Blitzableiter, die jedoch leider nicht jeden Blitz auffingen, wie die riesigen Eichen am Haus bezeugen konnten, von denen träge Rauch aufstieg. Die Waldnymphen – diese kleinen Schlampen – hinkten mit der Reparatur der Bäume gewaltig hinterher. Wenn Myst nur noch ein einziges Mal hören musste, wie sie »Aber Myst, Baby, da war doch diese Orgie« als Entschuldigung winselten …
»Höllisch«, sagte Wroth.
Sie neigte den Kopf zur Seite. In früheren Zeiten stieß man ein Schwert in die Erde, um ein Grab zu kennzeichnen, und ihr war es immer schon so vorgekommen, als ob die Blitzableiter diesen Ort wie eines dieser Massengräber aussehen ließen. Selbst aus dieser Entfernung hörte man Schreie und Kreischen aus dem Haus. Walküren kreischten sehr oft. Wenn Annika richtig wütend wurde, gingen in drei Gemeinden gleichzeitig die Alarmanlagen der Autos los.
Na gut, vielleicht war es ein bisschen höllisch.
»Zeit, dass dich jemand von hier wegholt«, sagte er mit verkniffener Miene, während sie sich dem Haus weiter näherten.
Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Du vergisst dabei eins. Ich gehöre hierher. Ich bin genauso sehr Monster wie alles, was dort drin wartet.«
»Du magst vieles sein, Braut, aber du bist kein Monster.«
»Da hast du recht. Ich bin die, von der Monster wie du fürchten, dass sie unter eurem Bett liegt.«
»Aber jetzt bist du in meinem Bett, wo du auch hingehörst.«
»Ach, und in diesem unserem Leben, das du dir in deinem kranken Hirn ausmalst, werde ich mich nicht dagegen wehren?«
Er schüttelte den Kopf, als er den Wagen am Ende der mit Kies bedeckten Zufahrt parkte. »Nein. Ich bin mir dessen wohl bewusst, dass du stärker bist, als es den Anschein hat. Ich weiß, dass andere Wesen eher sterben als deinen Zorn riskieren würden. Aber ich werde niemals gestatten, dass du dich noch
Weitere Kostenlose Bücher