Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
mich nur setzen.« Holtz hob beschwichtigend die Hände.
Marcus Koster lächelte schwach und richtete die Waffe wieder zu Boden.
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich würde einem Unschuldigen nie etwas antun.«
Holtz nahm auf dem Sofa Platz, auf dem äußersten Rand.
»Wollen Sie es mir nicht erzählen?«, fragte er.
Koster nickte, ging mit ruckartigen Schritten auf einen Stuhl zu und ließ sich darauf fallen. Massoud rollte zögernd in den Raum. Sein Blick war beschämt. Er blieb mit seinem Rollstuhl neben dem Stuhl stehen, auf dem Koster saß. Koster sah erst ihn und dann Holtz an.
»Massoud hat nichts mit dieser Sache zu tun, nur damit Sie das wissen«, sagte Koster.
»Ich höre«, sagte Holtz.
Koster setzte sich zurecht, legte die Armbrust auf die Knie und begann zu erzählen.
»Unsere Gesellschaft ruht auf einem schwachen Fundament. So schwach, dass alle guten Kräfte zusammenwirken müssen, damit wir nicht im Abgrund versinken«, begann er trotzig und hielt Holtz’ Blick fest. »Ich wohne selbst in Stjerneby in der Nähe des Ortes, der das Symbol für das Böse und die Intoleranz geworden ist, nicht weit von der U-Bahnstation entfernt, an der der jährliche Neonaziaufmarsch beginnt. Eigentlich ist es seltsam, dass es dort überhaupt einen U-Bahnhof gibt. Es heißt zwar immer, Stjerneby sei ein Vorort, aber im Grunde ist es kaum mehr als ein Dorf. Wahrscheinlich hätte die Großstadt bis dort weiterwachsen sollen, aber sie kam nie so weit. Ein Dorf, von dem fast niemand den Namen kannte. Und das hat uns, den Einwohnern, auch gefallen. Aber so ist es jetzt nicht mehr. Jahr um Jahr waren wir gezwungen, dem Destruktivsten, was unsere Zeit zu bieten hat, die Tore zu öffnen. Einmal im Jahr werden wir von Intoleranz und vom Bösen überschwemmt.«
Er schien mit sich selbst zu sprechen.
»Anfangs glaubten wir, dass es von selbst im Sande verlaufen würde. Dass es enden würde, wenn man es ignorierte. Alles würde wieder wie früher werden. Aber mit jedem Jahr wächst die Truppe, und so allmählich unterstützen auch die Bewohner von Stjerneby, meine Nachbarn, den Marsch. Jedenfalls haben sie begonnen, ihn zu akzeptieren. Der Gesinnungswandel ist langsam und fast unmerklich erfolgt.«
»Aber ich dachte immer, der Widerstand sei massiv und immer mehr Leute würden sich den Gegendemonstrationen anschließen«, sagte Holtz vorsichtig.
Marcus Koster sah Holtz lange an.
»Dafür dass Sie so hochqualifiziert, ja sogar gebildet sind, sind Sie erstaunlich naiv.«
Holtz wollte schon protestieren, ließ es dann aber bleiben.
»Wenn Horden von verwirrten, schwarz gekleideten Jugendlichen, die auf Abenteuer aus sind, hierherkommen, angeführt von militanten Radaubrüdern, die sich mit Eisenstangen, Molotowcocktails und Pfefferspray bewaffnen und nur eines im Sinn haben, nämlich gewalttätige Konfrontation – wo, glauben Sie, liegen die Sympathien dann?«
Holtz antwortete nicht.
»Diejenigen, die mit Fackeln in den Händen im Gleichschritt marschieren, erhalten deswegen jedenfalls nicht weniger Unterstützung. Ich hatte eigentlich aufgegeben. Hatte beschlossen, mit kleinen, bescheidenen Einsätzen zum Wohle der Allgemeinheit beizutragen. Die Welt zu verbessern, indem ich im Kleinen wirke.« Mit einer ausholenden Handbewegung umfasste er das Vereinslokal. »Mein kleines Universum.«
Holtz nickte. Er verstand ihn.
»Was hat Sie dann auf andere Gedanken gebracht?«, fragte er.
Marcus Koster sah Massoud an und nickte dann fast unmerklich.
»Das lag an ihm«, erwiderte er.
»Erzähl schon«, sagte Massoud.
Koster nickte resigniert.
Er hatte Massoud zum ersten Mal vor einem guten Jahr getroffen, und seine positive, aber von Trauer erfüllte Erscheinung hatte ihn nicht mehr losgelassen. Massouds Therapeut hatte ihm empfohlen, sich mit etwas zu beschäftigen, das ihn sowohl psychisch als auch physisch forderte. Er wählte den Bogenschützenverein, der wegen seiner Arbeit mit jungen Behinderten einen sehr guten Ruf besaß.
Sie waren sich von Anfang an sympathisch, und mit der Zeit entstand eine tiefere Freundschaft. An einem späten Abend, als sie sich allein im Vereinshaus aufhielten, erzählte Massoud, was ihm zugestoßen war. Von der Misshandlung und von den milden Strafen, die die Skinheads erhalten hatten.
Sie befanden sich bereits wieder auf freiem Fuß, während er immer noch im Rollstuhl saß.
Ohne Beine.
Dieser Abend veränderte Marcus Koster. Ein langsam schwelender Hass nistete sich in
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