Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
zerzaust, und ein Kissen hatte Abdrücke auf der Wange hinterlassen.
»Was wollen Sie?«
Levin setzte sich auf einen Hocker vor dem Sofa.
»Es gibt noch ein paar offene Fragen. Es handelt sich schließlich, wie Sie wissen, um eine Mordermittlung, und da spielt die Tageszeit keine sonderlich große Rolle«, sagte sie und hoffte, Petra hörte ihr nicht an, dass sie log.
»Und?«
Pia Levin zog ihre Jacke aus und nahm ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche. Sie klappte es auseinander und reichte es Petra. Petra betrachtete den Ausdruck der Fotografie und sah Levin dann an.
»Gehört es zu Ihrer Arbeit, Menschen zu quälen?«, fragte sie wütend.
»Sie wissen, wer das ist?«
»Da Sie mir dieses Foto zeigen, gehe ich davon aus, dass es sich um ihn handelt, mein Kind.« Levin hätte schwören können, dass ein Zittern in Petras immer so trotziger Stimme mitschwang. Ihr fiel auf, dass sie ihren Sohn nicht beim Namen nannte.
»Ja, das ist Gabriel. Wollen Sie mir nicht erzählen, was damals eigentlich geschah?«
»Das habe ich erzählt. Der Polizei, dem Jugendamt und …«
Sie begann zu weinen und legte ihr Gesicht in die Hände.
»Ich weiß, dass Sie es erzählt haben. Aber können Sie es mir nicht auch noch einmal erzählen?«
Petra schniefte und schüttelte den Kopf.
»Ich habe mir sagen lassen, dass Sie es als Kind nicht unbedingt leicht hatten.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. An meiner Kindheit gab es nichts auszusetzen«, sagte sie und sah Levin in die Augen. Ihre Nase lief, und die Augen waren blutunterlaufen.
»Es gibt da eine Theorie …«
»Was für eine verdammte Theorie? Was, zum Teufel, wollen Sie eigentlich?«
Levin sah die Frau vor ihr auf dem Sofa traurig an. Sie wirkte wütend und betrübt, aber da war auch noch etwas anderes. Die Erwartung einer Enthüllung, einer unvermeidlichen Enthüllung.
»Diese Theorie besagt, dass ein Mensch, der sein eigenes Kind misshandelt, fast immer selbst geschlagen oder erniedrigt worden ist.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich will, dass Sie jetzt gehen.«
Sie wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab.
»Da ist etwas, was mir keine Ruhe lässt«, sagte Levin, ohne sich um diese Aufforderung zu kümmern. Sie streckte die Hand nach der Fotografie aus, die Petra umgedreht auf den Couchtisch gelegt hatte.
»Als ich Sie das erste Mal aufsuchte, hatte ich das Bild einer jungen, schmächtigen Frau im Kopf …«
»Hören Sie, es ist fast zwanzig Jahre her, dass ich jung und schmächtig war.«
Sie hatte sich wieder gefasst und sprach mit größerem Selbstvertrauen.
»Natürlich. Aber obwohl Sie eine erwachsene Frau sind und nicht mehr ein … wie auch immer, jedenfalls sind mir Ihre kleinen Hände aufgefallen.«
»Und was haben meine Hände mit der ganzen Sache zu tun, verdammt nochmal«, schrie Petra beinahe und erhob sich. »Ich will, dass Sie jetzt gehen!«
Levin faltete den Ausdruck zusammen und hob die Jacke auf, die sie neben sich auf den Fußboden gelegt hatte, und zog sie an. Petra Jonssons Wangen glühten.
»Ich gehe jetzt.« Levin begab sich in die Diele, um ihre Stiefel anzuziehen. Petra folgte ihr, als wollte sie sich versichern, dass sie auch wirklich die Wohnung verließ.
»Darf ich Ihnen noch eine letzte Frage stellen?«, fragte Levin, als sie wieder im Treppenhaus stand.
Petra antwortete nicht.
»Warum haben Sie mir erzählt, Thord Seger wolle Sie nicht treffen? Er behauptet, Sie seien es, die jeden Kontakt zur Familie Seger ablehne. Warum wollen Sie ihn nicht treffen? Glauben Sie, dass er etwas weiß, was sonst niemand weiß? Wollen Sie ihn deswegen nicht sehen? Weil er vielleicht ein Geheimnis enthüllen könnte?«
»Ich weiß nicht, wovon der Alte spricht. Ich will nie mehr etwas von ihm, Johan, Ihnen oder sonst jemanden hören. Haben Sie das verstanden?«, fauchte sie und knallte die Tür vor Pia Levins Nase zu.
Holtz konnte kaum fassen, dass Marcus Koster vor ihm stand. Er hatte sich so daran gewöhnt, ihn im Rollstuhl zu sehen, dass er das Gefühl hatte, Zeuge eines Wunders zu sein, obwohl er wusste, es gab eine natürliche Erklärung.
»Wie sind Sie draufgekommen?«, fragte Koster.
Holtz zögerte.
»Ein Strohbock hat mir geholfen.«
»Einer dieser Weihnachtsböcke?«
»Ja, aber ein dreibeiniger. Aber das spielt keine Rolle. Ich hätte es früher oder später auch so herausgefunden«, sagte er und ging langsam in die Mitte des Zimmers.
Marcus Koster hob die Armbrust leicht an.
»Ich will
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