EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
Serientäter fassen konnten.
„Alles klar, ich habe verstanden. Gehen wir also zur Tagesordnung über. Hast du schon den Obduktions- und Laborbericht gelesen, die ich dir, rein informativ, versteht sich, gemailt habe?“
Hirschau nickte. „Den Obduktionsbericht habe ich noch nicht gelesen. Aber dem Laborbericht nach muss es ein entsetzlich langsamer Tod gewesen sein.“
„Richtig. Veronika Granel hat mich vor zwei Tagen während der Obduktion gefragt, ob ich einen Birnenaroma- oder Nagellack-Geruch wahrgenommen hätte, als sie die Leiche öffnete. Sie roch tatsächlich nach Aceton. Die Mediziner nennen es Ketose.“
Hirschau schaute ihn verblüfft an. „Ketose? Das sind die ersten Symptome des Verhungerns. Wenn der Körper seine Fettreserven verbrannt hat, beginnt er Fettsäuren in die Blutbahn auszuschütten.“ Er stockte. „Der Täter hat sie verhungern lassen? Ist das die Todesursache?“
„Nein, nein, so schnell verhungert man nicht“, sagte van Cleef. „Aber es stimmt: Sie war lange in seiner Gewalt und hatte bereits Mangelerscheinungen. Vermutlich auch durch die Anstrengungen der Folter. Sie war im vierten Monat schwanger, und er hat ihr den Fötus …“ Er rang nach Luft. „Lies das Obduktionsprotokoll. Als sie kaum noch am Leben war, hat er sie erwürgt.“
„O Gott.“ Hirschau setzte sich auf seinen Stuhl.
„Nachdem er sie so übel zugerichtet hat, überrascht es mich eigentlich, dass sie noch so lange überlebt hat“, sagte van Cleef. „Sie war vollgepumpt mit Drogen. Wenigstens sind ihr die Schmerzen erspart geblieben.“
Hirschau stützte sich mit den Händen auf den Schreibtisch und sah ihn mürrisch an. „Drogen. Welche Substanzen? Hellabrunner Mischung? “
Van Cleef nickte.
„Dann ist es derselbe Täter. Bisswunden?“
„Ja“, sagte van Cleef.
„Konnte Veronika verifizieren, wann der Täter ihr die Bisswunden zugefügt hat?“
„Ja. Erst ziemlich spät, kurz vor ihrem Tod. Es war übrigens auch ihr Blut, das wir an der Fußleiste in der Küche gefunden haben.“
„Wie bei Katharina Wendel. Ich habe gelesen, dass die rechte Hand abgetrennt wurde.“
Van Cleef nickte.
„Komm, wir gehen die Details noch einmal durch“, sagte Hirschau. „Das Problem ist die Motivlage, nehme ich an.“
„Richtig. Er muss ein Faible für blonde, attraktive junge Frauen haben“, bemerkte van Cleef.
„Behalte das, was ich dir jetzt sage, bitte für dich. Ein Jahr nach Katharina Wendels Ermordung hat sich das BKA an Europol in Den Haag gewandt, um vergleichbare Mordfälle in den EG-Staaten für ein Täterprofil zu filtern.“
„Du meinst, unser Täter war auch anderswo aktiv?“
„Könnte sein. Damit die Presse davon keinen Wind bekommt, unterliegt dieser Fall der Geheimhaltung. Wir wollen diese Bestie fassen. Ein Serientäter tötet zur Befriedigung eines inneren Drangs, der sich fast immer über einen längeren Zeitraum aufgebaut hat. Vielfach über mehrere Jahre bis zurück in die Kindheit.“
„Bist du sicher, dass es sich um ein und denselben Täter handelt? Laut Protokoll der Gerichtsmedizin hat er Rebecca erwürgt und nach ihrem Tod nicht sexuell missbraucht“, sagte van Cleef. „Das wäre allerdings eine erstaunliche Ausnahme.“
„Weil sie schwanger war“, sagte Hirschau. „Er hat Angst vor dem Fötus. Das ist für ihn wie ein böser Dämon. Deswegen muss er ihn auch umbringen. Und die Angst blockiert dann seine Libido. Heimbach hat das gesagt. Es klingt logisch.“
„Es gibt weitere Übereinstimmungen zum Anakonda-Fall“, unterbrach ihn van Cleef. „Das Durchtrennen der Stimmbänder und das Spalten der Zunge.“
„Richtig, und vergiss nicht die fehlende Hand.“
„Warum macht er das?“, fragte van Cleef.
„Der Mund und die Hand symbolisieren die Moral. Julia war nicht sein erstes Opfer. Und nach Katharina ist er erst richtig auf den Geschmack gekommen. Und dieser jüngste Mord … Rebecca … Das ist eindeutig seine Handschrift.“
„Könntest du nach Durchsicht der Akten ein Profil erstellen?“, fragte van Cleef.
„Der Fall Katharina Wendel enthält bereits das ausführliche Profil von Andreas Heimbach. Ich habe die Einzelheiten auch nicht mehr im Kopf, aber diesen Täter …“
Er zeigte auf die Fotografien und beschrieb den Täter mit Hilfe der umfassenden Analyseergebnisse Heimbachs, die er sich damals hatte geben lassen – über das Äußere und Innere des Mörders bis hin zu dem, was der Kriminalpsychologe zu seinem jetzigen Leben und
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