EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
sagte Anna lachend.
Charlotta erhob ihr Glas. „Man spürt sofort, dass man ihm vertrauen kann und … dass er zu unserem Leben gehört. Auf Mateo!“
Ihre Gläser stießen aneinander.
„Auf Mateo!“, sagte Anna fröhlich und trank einen Schluck; als sie das Glas abgesetzt hatte, fragte sie: „Habt ihr euch heftig gestritten, Charly?“
„Kann man so sagen. Dass ich Lennart mit einer anderen erwischt habe, könnte ich ihm vielleicht verzeihen. Doch als ich mir anhören musste, dass ich eine ungeheure Angst hätte zu versagen, was ich geschickt unter dem Deckmantel meines Charmes und meines Perfektionismus verbergen würde, bin ich ausgeflippt. Nach diesem Vortrag habe ich ihm eine geknallt. Aber soll ich dir mal was sagen? Er hat recht.“ Sie lachte laut. „Er hat recht.“
Plötzlich übermannten sie die Tränen. Anna setzte sich neben sie, um sie zu trösten.
„So wie Lennart mich angesehen hat bei unserem Abschied … Er war so traurig … dieser Mistkerl!“, schluchzte sie.
„Du wirst es überwinden. Es ist besser so. Es ist gut, dass du weinst.“
Anna sah sich um und fing flackernde Blicke von den Fahrgästen und dem Speisewagenpersonal auf. Es war ihr egal. Weinen im Speisewagen war schließlich im Preis inbegriffen.
Charlotta sah sie mit einem entschuldigenden, tränennassen Blick an. „Verdammt, ich hasse es zu heulen. Das bringt einen nicht weiter.“
„Weiter, als du denkst.“ Anna strich ihr übers Haar. „Geht es wieder?“
Charlotta nickte, nahm ein Taschentuch und fuhr damit über ihr Gesicht. „Ich glaube, ich bin betrunken“, lallte sie.
Anna lachte. „Stimmt. Mit einem Kater sollte man jedenfalls nicht in ein neues Leben gehen.“
„Genau. Lass uns jetzt schlafen gehen. Ich erzähl dir morgen von meinen Plänen. Ich bin betrunken, und du bist auch nicht mehr nüchtern“, sagte Charlotta.
„Aber die Rechnung zahlst du“, sagte Anna.
Wenig später sah sie in den Spiegel des kleinen Waschraums ihres Schlafabteils. Ihre Augen waren rot geädert, und die Wangen glühten. Auch sie hatte zu viel getrunken.
Sie zwinkerte ihrem übermüdeten Spiegelbild zu, knipste das Licht aus und ging ins Bett.
Unmittelbar nach dem Frühstück fuhr der Eilzug im Mailänder Hauptbahnhof ein. Anna half Charlotta, die Koffer aus dem Zug zu bringen, ging zurück ins Abteil und öffnete das Fenster. Der Halt würde nur wenige Minuten dauern.
„Was wirst du nun tun?“, fragte Anna und lehnte sich aus dem Fenster.
„Das Leben genießen und shoppen, bis meine Eltern meine Kreditkarten sperren. Der Single-Markt hat mich wieder. Da muss man top aussehen!“ Charlotta lachte, als hätte sie diese Erkenntnis gerade eben erst gewonnen.
„Aber im Ernst …“
„Ich fahre als Erstes zu meiner Freundin Daniella. Sie hat Karten für die Mailänder Scala. Wir werden übermorgen sicher fürchterlich schluchzen, wenn Madame Butterfly stirbt. Und danach sehe ich weiter.“
„Kannst du bei ihr auch übernachten?“, fragte Anna besorgt.
„Ja, sicher. Sie hat mir ihren Haustürschlüssel geschickt, da sie heute Abend nicht zu Hause ist. Mach dir keine Sorgen, und ruf mich an, wenn du im Convento bist.“
Das Schlagen von Türen, ein schriller Pfiff, dann fuhr der Zug an.
„Pass auf dich auf, Anna, und erhol dich gut!“, rief Charlotta und warf ihr einen Handkuss zu.
Anna schloss das Fenster und lehnte sich in die Polster zurück. Charlotta war eine wunderbare Reisebegleiterin gewesen, trotzdem konnte sie es kaum erwarten, endlich im Kloster anzukommen.
Kapitel 38
Am späten Nachmittag des übernächsten Tages machte sich van Cleef ins Dienstzimmer von Robert Hirschau auf.
Hirschau starrte aus dem Fenster. Statt einer Begrüßung zeigte er mit dem Kinn auf einen blau-weißen Umschlag des Fotodienstes der Münchner Polizei.
Van Cleef stellte lächelnd seine Aktentasche ab und schüttelte die Fotos aus dem Umschlag. „Aha, bist du also doch im Boot.“
Hirschau hob abwehrend die Hände. Van Cleef verstand. Er war nicht durch Zufall an das Bildmaterial der Münchner Polizei gekommen, sondern vom BKA wieder in den Anakonda-Fall involviert worden. Das Ganze lief unter Top Secret. Wahrscheinlich, weil Robert damals als junger Kommissar selbst die leitenden Ermittlungen geführt hatte und dabei wie auch er, Benedikt van Cleef, auf der Stelle getreten war. Scheißegal, dachte van Cleef. Hauptsache, Robert machte mit. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er die Hoffnung, dass sie den
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