EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
Sehnsucht Blau trägt. Das war ihre Art, uns mitzuteilen, wie sehr sie den Himmel und die Unendlichkeit des blauen Horizonts liebt. Blau ist für sie das Symbol für Freiheit, Glück und Liebe.“
„Hm …“
„Ich ertrage das Ganze nicht, und ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt. Doch vielleicht wäre ich dir niemals begegnet, wenn das mit Anna nicht passiert wäre.“
„O doch“, sagte er lächelnd. „Ich wusste schon immer, dass es dich irgendwo gibt, und ich hätte dich immer gefunden.“
Es klang wie eine Liebeserklärung, dachte sie. Bei Lichte betrachtet, war es sogar eine ganz solide Liebeserklärung. Er war eben solide, der Mann, das war ihr auch schon vorher klar gewesen. Solide und geheimnisvoll.
„Lass uns mit einem Glas Champagner auf uns anstoßen. Doch vorher …“ Sie stand auf und zeigte in Richtung Toilette.
Als sie wieder zurück war, legte er behutsam seine Hand auf ihre. Mathilda drehte sie um und beugte sich darüber, als wolle sie ihm daraus lesen.
„Was sehe ich denn da? Du bekommst viele Kinder und …“
„Ja?“
„Nein, sonst verrate ich dir nichts.“
Er lachte, weil er wusste, dass sie ablenkte. „Das ist unfair.“
„Vielleicht verrate ich es dir irgendwann mal.“
Benedikts Gesichtszüge froren ein, die ganze Gestalt zog sich mumienhaft zusammen, und mit theatralisch gespielter Eisesstimme flötete er: „Madame, ich weiß nicht, ob ich Ihnen so lange meine Gefolgschaft zusichern kann.“
Mathilda legte mit ihrem hinreißendsten Augenaufschlag nach. „Oh, Monsieur werden ungeduldig! Nun gut, dann will ich Ihnen ein kleines bisschen schon verraten: Anna hat früher oft Karten gelegt und die Linien meiner Hände gedeutet und mir die Zukunft prophezeit. Das konnte sie wirklich gut. Für alles andere hatte sie keinen Sinn. Ihre Mutter hat sie total verwöhnt. Anna kann weder kochen, noch weiß sie, wie man einen Haushalt führt. Manchmal sieht es wirklich schlimm bei ihr aus.“
„Kannst du denn kochen?“
Sie lachte. „Deswegen kann ich es ihr ja so nachfühlen!“ Sie nahm die Serviette auf und tupfte ihre Lippen ab.
„Jetzt mal ernsthaft“, sagte er. „Der Täter muss die Familie kennen.“
„War es das, was du mir vorhin versucht hast, schonend beizubringen?“, fragte sie leise.
Er sah, dass sie sich vor der Antwort fürchtete. „Ja“, sagte er zögerlich.
„Ich fasse es nicht. Ach, verdammt noch mal. Es ist Ben, nicht wahr?“
„Wie kommst du darauf?“
„Ich sehe es dir an. Ist er wieder aufgetaucht? Es ist alles so schrecklich. Wie geht es jetzt weiter?“
„Es fehlen noch ergänzende Berichte der Pathologie und der Spurensicherung“, sagte er mit leiser Stimme. „Die Fahndung nach Ben Wendel läuft, aber bislang ergebnislos. Wir brauchen aber auch diesen stotternden Zeugen. Erinnerst du dich sonst an jemanden, der sowohl Katharina als auch Anna kannte?“
Sie vergrub die Hände in den Taschen ihrer Wolljacke. „Ihre Familie, meine Familie, Jörg, Severin – fast das ganze Dorf war auf Katharinas Beerdigung.“
„Entschuldigung. Ich bin manchmal schrecklich.“
„Nein, du tust nur deine Pflicht.“
„Wer ist Severin?“, fragte Benedikt neugierig.
„Katharinas Jugendfreund. Er lebt seit geraumer Zeit in den Staaten. Ich sah ihn das letzte Mal auf Katharinas Beerdigung. Er war schrecklich traurig. Er ging in die USA, als Katharina Jörg kennengelernt hat. Anna hat gesagt, dass er das Land aus Liebeskummer verlassen hat.“
„Dann kommt er als Täter wohl kaum in Frage.“
„Nein. Er hat Katharina geliebt. Ich mache dir einen Vorschlag. Ich könnte mich in Annas Haus umsehen. Max ist in den Staaten und Anna in Italien. Sie hat mir einen Schlüssel gegeben. Sie möchte das Haus verkaufen und wird wohl bei Max einziehen. Ich glaube auch nicht, dass sie dieses Haus noch einmal betreten wird. Vielleicht finde ich dort einen Hinweis.“
„Das ist eine gute Idee. Wir haben zwar alles auf den Kopf gestellt, das Haus von innen nach außen gekehrt und sämtliche Schritte der Spurensicherung noch einmal wiederholt. Aber vielleicht haben wir etwas übersehen, weil wir nicht wussten, wonach wir suchen sollten. Soll ich dich begleiten?“
„Nein, das mache ich allein.“
Er schien enttäuscht. „Vielleicht hast du mehr Glück. Ich gebe dir einen Tipp. Durchwühl mal die alten Kisten auf dem Speicher.“
„Mir fällt gerade etwas ein. Anna erwähnte einmal, dass Katharina Tagebuch geführt hat.
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