Eiskalte Versuche
gestanden hatten.
„Es wäre nicht falsch, wenn Sie täten, was er sagt“, meinte er. „Und Sie sollten die geplatzte Lippe mit Eis kühlen, damit sie nicht noch mehr anschwillt.“
„Wahrscheinlich haben Sie Recht“, sagte Isabella. Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Fast Mittag. Normalerweise helfe ich im Speisesaal, wenn die Essensgäste …“
„Das Personal schafft die Arbeit auch ohne Sie. Wenn Sie mit einer dicken Lippe herumlaufen, werden Sie außerdem erklären müssen, was geschehen ist, und das mindestens ein Dutzend Mal.“
Sie verzog das Gesicht. „Das stimmt. So weit habe ich noch nicht gedacht. Dann gehe ich jetzt in die Küche, hole mir etwas Eis und lege mich hin. Zumindest für eine Weile.“
„Ich besorge das Eis gern für Sie, wenn Sie einverstanden …“
Isabella legte die Hand auf seinen Arm. „Sie haben heute genug für mich getan. Ich hole es selbst. Sie gehen und essen zu Mittag. Das haben Sie sich verdient.“
Jack verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihm fiel kein Grund mehr ein, mit dem er sie weiter aufhalten konnte.
„Ja … in Ordnung. Ich muss zugeben, dass ich tatsächlich eine Kleinigkeit essen könnte.“
„Guten Appetit“, sagte sie und drückte leicht seinen Arm. Dann verließ sie ihn.
Er blieb reglos stehen und sah ihr nach, wie sie mit gestrafftem Rücken und schwingenden Hüften durch die Halle ging und durch eine Tür verschwand. Er hatte die ganze Zeit den Atem angehalten, wie er nun feststellte. Langsam die Luft ausstoßend, ließ er den Blick zu dem Gemälde über der Treppe wandern.
Die Frau sah zu ihm herunter, verhalten lächelnd, als wüsste sie um ein Geheimnis, das niemand sonst kannte. Jack seufzte und machte sich auf den Weg in den Speisesaal. Er war viel zu sehr an einer Person interessiert, die Gegenstand seiner Nachforschungen war.
Schon fast bei der Glastür angekommen, machte er kehrt und ging zur Treppe. Besser, er wusch sich zuerst und zog ein frisches Hemd an. Mit Bobby Joe Cages Blut am Ärmel beim Mittagessen zu sitzen schien ihm keine verlockende Aussicht.
Wasili Rostow alias Victor Ross war damit beschäftigt, die Hecke vor dem Hotel zu schneiden, als zwei der alten Männer nach draußen kamen. Da er nicht wollte, dass sie sein Gesicht sahen, drehte er sich um und senkte den Kopf. Er schnappte genug Gesprächsfetzen auf, um zu begreifen, dass sie sich über etwas, das Isabella Abbott zugestoßen war, entrüsteten. Offensichtlich hatten die Männer vor, die Sache ins Reine zu bringen, während Isabella sich zum Ausruhen auf ihr Zimmer zurückgezogen hatte.
Er ließ den Vormittag Revue passieren. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Einer der Männer, sie nannten ihn Thomas, hatte vor einiger Zeit mit einer Aktenmappe unter dem Arm das Hotel verlassen. Er war noch nicht zurückgekehrt. Jetzt hatten sich auch David Schultz und Jasper Arnold außer Haus begeben. Nur John Michaels und Rufus Toombs stellten noch ein Risiko dar. Rostow wusste, dass die alten Männer das gesamte Obergeschoss bewohnten. Zum ersten Mal, seit er hier war, bot sich die Gelegenheit, Frank Waltons Zimmer zu durchsuchen. Er machte ein paar letzte Schnitte mit der Heckenschere. Dann ging er um das Hotel herum zur rückwärtigen Hausseite. Die Feuerleiter war alt, aber in gutem Zustand und bestens geeignet für sein Vorhaben.
Er brachte die Gartengeräte in den Schuppen zurück und wusch sich hastig, damit er möglichst schnell in die Küche kam und seine Mittagsmahlzeit einnehmen konnte. Wenn die beiden Männer, die noch im Haus waren, zum Essen nach unten kamen, würde er sie sehen. Dann hatte er mindestens eine halbe Stunde Zeit, um sich ungestört im oberen Stockwerk aufzuhalten. Das genügte. Falls sich in Frank Waltons Zimmer Dokumente oder andere Hinweise befanden, die für seine Regierung von Bedeutung waren, würde er nicht lange brauchen, bis er sie gefunden hatte. Für den Fall, dass er mit leeren Händen herauskam, würde er mit seinem Vorgesetzten Verbindung aufnehmen, ihm mitteilen, dass der Alte tot war, und die Sache als erledigt betrachten. Sein Bett und seine Freunde begannen ihm zu fehlen, und langsam wuchs in ihm die Einsicht, dass er für das Spionagegeschäft zu alt wurde. Über welches Wissen könnte ein einzelner alter Mann verfügen, dass sein Land noch heute daran Interesse hatte?
Die Sache war einfacher als erwartet. Wasili Rostow hatte gesehen, wie die beiden zu Hause gebliebenen Bewohner des dritten Stockwerks den
Weitere Kostenlose Bücher