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Eiskalte Versuche

Eiskalte Versuche

Titel: Eiskalte Versuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: McCall Dinah
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Speisesaal betraten und sich an einen Tisch zu anderen Gästen setzten. Sie gaben ihre Bestellungen auf und waren bald in ein Gespräch mit ihren Tischnachbarn vertieft. Nun konnte er sicher sein, dass er während der Zeit des Mittagessens in der obersten Etage von Abbott House allein sein würde.
    Er hatte den letzten Bissen seines Sandwichs in sich hineingestopft und die Küche durch die Hintertür verlassen mit dem Kommentar, er müsse an die Arbeit zurück. Er holte seine Heckenschere, ging wieder um das Haus herum und kletterte über die Feuerleiter bis zum dritten Stock. Dort öffnete er den Notausgang mit einem Dietrich und trat ein. Die Heckenschere ließ er draußen liegen, um seinen Aufenthalt in Hausnähe zu erklären, falls er auf dem Rückweg gesehen wurde. Die Möglichkeit, das Hotel könnte mit einer Alarmanlage gesichert sein, kam ihm erst in den Sinn, als er den langen düsteren Korridor vor sich sah. Er hielt die Luft an und wartete auf das Geräusch einer losschrillenden Sirene. Nichts geschah. Erleichtert atmete er aus.
    Es gab sechs Türen. Drei auf der linken Seite des Flurs, drei rechts. Er wusste nicht, welche von ihnen zu dem Zimmer führte, das Frank Walton bewohnt hatte, und versuchte die, der er am nächsten stand. Sie war abgeschlossen. Genau wie die zweite und dritte Tür und die auf der gegenüberliegenden Seite. Die sechs Männer teilten sich seit dreißig Jahren die dritte Etage dieses Hauses und schlossen noch immer ihre Zimmer ab, wenn sie nicht da waren. Das kam ihm seltsam vor. Andererseits wohnten sie in einem Hotel. Fremde Menschen gingen ein und aus. Sie versperrten die Zimmer wohl, weil sie ihre Privatsphäre vor Neugierigen schützen wollten.
    Rostow verlor keine Zeit. Mit dem Nachschlüssel öffnete er die erste Tür und trat ein. Kaffeegeruch hing in der Luft. Auf einem Beistelltisch stand eine benutzte Tasse mit einem Kaffeerest darin. Rostow sah das aufgeschlagene Buch, die Pantoffeln neben einem Sessel, und wusste, dies war nicht Frank Waltons Zimmer.
    Ohne etwas angerührt zu haben, ging er lautlos rückwärts wieder hinaus. Er sperrte ab und versuchte die nächste Tür. Bei der dritten Tür, die er öffnete, hatte er Erfolg.
    In dem Augenblick, als er eintrat, wusste er, dass er richtig war. Die Luft in dem Raum roch dumpf. Auf dem Kaffeetisch neben dem Fenster lag eine feine, aber viel sagende Staubschicht. Das Zimmer war aufgeräumt, wie vor dem Antritt einer Reise. Rostow erinnerte sich daran, wie seine Mutter jeden Abend die kleine Bauernkate, in der er aufgewachsen war, geputzt und in Ordnung gebracht hatte, als würde der kommende entbehrungsreiche Tag in einer sauberen Umgebung leichter zu ertragen sein. Dieser Raum jedenfalls war seit Wochen nicht mehr benutzt worden. Deshalb war zu erwarten, dass sich eine Staubschicht gebildet hatte. Und deshalb musste es sich um Waltons Zimmer handeln.
    Er spähte zurück in den Korridor. Es war niemand zu sehen und kein Geräusch zu hören. Rasch schloss er sich ein. Wenn nicht der unwahrscheinliche Fall eintrat, dass jemand ausgerechnet jetzt von dem Drang gepackt wurde, die Sachen des Toten auszuräumen, stand ihm genügend Zeit zur Verfügung.
    Er hielt einen Moment inne und blickte sich in der Suite um, die Frank Waltons Zuhause gewesen war. Dabei dachte er an den alten Mann, wie er ihn in dem Häuserdurchgang gesehen hatte. Angst hatte in seinen Augen gestanden, aber auch Erkenntnis. Wenn Walton sich lieber selbst tötete, als nach Russland zurückgebracht zu werden, musste er einen schwerwiegenden Grund dafür gehabt haben.
    Das Wohnzimmer war in düstersten Farben gehalten. Die schweren schwarzblauen Samtvorhänge waren an manchen Stellen stark ausgeblichen. Auf dem Boden lag ein unechter Perserteppich; die durchgesessenen Sitzpolster wiesen auf einen langjährigen Gebrauch der Ohrensessel und des Sofas hin.
    Als Erstes ging Rostow zu einer breiten Kommode, die offensichtlich als Schreibtisch gedient hatte, und zog die Schubladen heraus. Er fand nichts Verdächtiges, nur einige alte Tankquittungen und zwei unbezahlte Rechnungen. Als Nächstes wechselte er zu der kleinen Küchenzeile. Fünf Minuten genügten, und die Durchsuchung war beendet. Erfolglos. Es blieben noch zwei Räume übrig: ein kleines Bad und das angrenzende Schlafzimmer.
    Obwohl Rostow den Schlafraum gewohnt leise durchquerte, knarrte eine Diele unter seinem Schritt. Typisch für alte Häuser, dachte er und ging zum Bad weiter. Wenige Minuten später

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