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Eiskalte Versuche

Eiskalte Versuche

Titel: Eiskalte Versuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: McCall Dinah
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kam er wieder heraus, nicht klüger als vorher. Er fühlte sich nur bestätigt, dass sein erster Eindruck von Frank Walton richtig gewesen war. Auf der Ablage hatte er ein Röhrchen mit Tabletten gefunden, zusammen mit dem Beipackzettel, aus dem hervorging, dass es sich um ein Krebsmedikament handelte. Vor diesem Hintergrund wurde Waltons Verhalten plötzlich nachvollziehbar. Die Selbsttötung war keine so drastische Tat gewesen, wie Rostow zuerst geglaubt hatte. Der alte Mann musste gewusst haben, dass er bald sterben würde, und hatte wohl den Entschluss gefasst, sein Ende an diesem Ort und zu dieser Stunde zu finden.
    Frustriert und nicht wenig beunruhigt darüber, was seine Auftraggeber sagen würden, wenn er sich mit dem Eingeständnis seines Scheiterns bei ihnen meldete, durchquerte Rostow das Schlafzimmer. Wieder knarrte der Holzboden unter seinen Füßen. Er sah nach unten und runzelte die Stirn über seine Sorglosigkeit. Es war die gleiche Diele wie vorhin. Wenn sich doch jemand in dieser Etage aufhielt, war das Geräusch vielleicht gehört worden. Sollte er ertappt werden, galt er als gewöhnlicher Dieb; aber er würde verhaftet werden, und seine Anstellung als Hilfsgärtner wäre er auch los. Er konnte sich nicht leisten, dass seine wahre Identität ans Licht kam. Sorgfältig die gefährliche Stelle meidend, begann er mit der Durchsuchung. Im Schrank fand er außer Kleidungsstücken nichts. Er ging weiter zum Bett, hob die Matratze an und sah nach, ob darunter etwas versteckt lag.
    Wieder war das Ergebnis seiner Suche negativ. Er ging noch einmal durch alle Zimmer, sah hinter Heizkörper und Fotorahmen und hob Gemälde von der Wand, um festzustellen, ob irgendwo ein Safe dahinter verborgen war. Ärgerlich, dass er nichts Verwertbares entdeckt hatte, blieb er in der Tür zum Schlafzimmer stehen und ließ einen letzten Blick durch den Raum schweifen.
    „Warum das Ganze, Alter? Was wusstest du so Wertvolles, dass es sich dafür zu sterben lohnte?“
    Frank Walton antwortete nicht.
    Rostow starrte in das Zimmer. Je länger er hinsah, desto mehr drängte sich ihm der Eindruck auf, dass etwas nicht stimmte. Die Einrichtung war alt. Sie stammte aus der gleichen Zeit wie die Möbel im angrenzenden Wohnzimmer. Ein hohes Bett mit vier Pfosten; ein Schrank aus dunklem Kirschholz; Vorhänge, die schon beinahe schäbig zu nennen waren. Sein Blick glitt zu dem Flechtteppich am Fußende, und er dachte an die quietschende Holzdiele darunter.
    Dann musterte er den Boden links und rechts neben dem Bett und kehrte mit dem Blick zum Fußende zurück. Das war es. Niemand kroch ans Fußende, wenn er aus dem Bett aufstand. Warum lag der Läufer dort und nicht an einer der Längsseiten?
    Rostow hatte die vielen Jahre in seinem Metier überlebt, weil er seinen Instinkt und seine Neugier immer beachtet hatte. An dieser Gewohnheit würde er jetzt nichts ändern. Er ging zum Bett und zog den Läufer beiseite.
    Zuerst glaubte er, der Teppich hätte wirklich nur an einer unpassenden Stelle gelegen und er hätte sich geirrt. Dann stellte er fest, dass das Muster, in dem der Holzboden verlegt war, an einer Stelle nicht stimmte. Er bückte sich und fuhr mit den Fingern an den Nahtstellen entlang. Augenblicklich wusste er Bescheid. Zwei der Bretter waren durchgesägt und nur lose wieder eingepasst worden.
    Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und er spürte, wie sein Herz schneller schlug. Er zog sein Messer heraus, bohrte die Spitze in eine offene Fuge und versuchte, das erste Bodenbrett herauszulösen. Nach wenigen Sekunden hatte er Erfolg.
    Unter den Dielen sah er nur einen dunklen Hohlraum. Seine Hoffnung schwand wieder. Trotzdem schob er eine Hand hinein – und traf auf Widerstand. Zuerst ertastete er Stoff, dann etwas Hartes, das von dem Tuch umhüllt war. Er schloss die Finger um das Päckchen und zog es hervor.
    Es war ein Stoffbeutel mit einem fest gebundenen Heft darin. Rostow brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass er ein Tagebuch gefunden hatte. Er wollte einen Blick hineinwerfen, da hörte er, wie draußen auf dem Gang Stimmen laut wurden.
    Leise fluchend, weil er sich zu lange in der Suite aufgehalten hatte, passte er die Bodendielen wieder ein und schob den Läufer an die alte Stelle. Das Buch steckte er zusammen mit der Stoffhülle in die Tasche. Dann eilte er zur Tür, die zum Flur führte, und lauschte. Offenbar kehrten die beiden alten Männer gerade vom Essen zurück. Er hörte, wie einer von ihnen

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