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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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Bereich des Altkreises Wesermünde wurde eine Frau erfroren in ihrem Auto gefunden. Der Verkehr ist in weiten Teilen des nördlichen Niedersachsens zum Erliegen gekommen. Für die Landkreise Cuxhaven, Osterholz, Wesermarsch und Stade wurde ein Fahrverbot erlassen. Die Räumfahrzeuge der Straßenmeistereien sind den Schneemengen nicht mehr gewachsen. Deshalb werden jetzt auch Bergepanzer der Bundeswehr eingesetzt. Vielfach macht jedoch der nicht abflauende Sturm alle Bemühungen zunichte, weil die geräumten Straßen durch Schneeverwehungen in kürzester Zeit wieder unpassierbar werden. Wie in Schleswig-Holstein ...“

    Wenn es weiter so schneit, können sie morgen vielleicht gar nicht weiterfahren. Die Vorstellung, dass Erik und seine Freunde es vielleicht gar nicht schaffen würden, Cuxhaven an diesem Wochenende zu erreichen, erschien ihr unvorstellbar und war doch so nahe liegend.

    *

    Erik hatte es aufgegeben, die Scheiben vom Schnee zu befreien. In immer kürzeren Abständen hatte der Wind die Fenster des Wagens mit Schneekristallen zugeweht. Das Gebläse kam ohnehin kaum noch gegen die Kälte an. Zuerst hatte er den Motor alle zehn Minuten gestartet und fünf Minuten lang laufen lassen, um ein bisschen Wärme ins Innere zu bekommen. Inzwischen lag die Nadel der Tankanzeige fast auf der Null. Wenn er den Parkplatz irgendwann mit eigener Kraft verlassen wollte, durfte er kein Benzin mehr verschwenden. Statt mit der Wagenheizung Wärme zu erzeugen, hatte er begonnen, herumzulaufen. Der Schnee hatte inzwischen fast Hüfthöhe erreicht, und er konnte sich nur noch ein kleines Stück auf dem Trampelpfad seiner eigenen Spur bewegen. Den Wagen musste er über die Beifahrertür verlassen, auf der Fahrerseite hatte der Wind den Schnee bis zu den Fensterscheiben angehäuft. Und dieser Wind hatte von Stunde zu Stunde an Kraft zugenommen. Die Kälte biss in Nase und Ohren, ließ die Augen tränen und kroch über Hände und Füße in den Körper.
    Verzweifelt starrte Erik in das Schneetreiben. Doch um ihn herum war nichts zu erkennen. Die Fahrbahn konnte nicht weiter als dreißig oder vierzig Meter entfernt sein. Dennoch war es unmöglich, sie zu erreichen. Und wenn – könnte er dort Hilfe finden?
    Es wäre wohl doch besser gewesen, mit den Kameraden über Land zu marschieren. Wahrscheinlich saßen sie längst in der warmen Stube und schlürften heißen Tee. Vielleicht sogar Grog.
    Die Vorstellung trieb ihm Tränen in die Augen. Füße und Hände spürte er kaum noch, und plötzlich erinnerte er sich an Erzählungen seines Vaters vom Russlandfeldzug. Wie ihm die Zehen abgenommen werden mussten, weil sie erfroren waren. Wie Soldaten im Schlaf erfroren waren. Wie Männer in plötzliche Euphorie ausgebrochen, sich in den Tiefschnee gestürzt und für immer verschwunden waren. Das war in fernen russischen Einöden geschehen. Sollte er hier, inmitten eines zivilisierten Landstriches, am Rande einer Verkehrsader, erfrieren?
    Zum Teufel mit dem Benzin. Morgen, wenn die Straßen wieder frei sind, holen sie mich ab. Und bestimmt haben sie einen Kanister dabei. Das Auto war seine Zuflucht und seine Rettung. Er würde den Motor anlassen und das Gebläse einschalten. Das Wageninnere richtig aufheizen. Wenigstens für ein paar Minuten. Plötzlich erschien ihm nichts erstrebenswerter, als seine Hände am Luftstrom der Heizung zu wärmen. Mühsam kämpfte er sich durch den immer schmaler werdenden Pfad zu seinem Renault 4 zurück. Es dauerte eine Weile bis es ihm gelang, die Tür zu öffnen, denn seine Finger versagten ihm den Dienst. Er brauchte schließlich beide Hände, um den Knopf hineinzudrücken, der das Schloss entriegelte, und musste seine ganze Kraft aufwenden, um die festgefrorene Tür aufzureißen. Als er schließlich hinter dem Lenkrad saß und den Zündschlüssel zu fassen bekam, fehlte ihm die Kraft, ihn zu bewegen.
    Er behauchte seine Finger, nahm die linke Hand zu Hilfe und konnte endlich den Schlüssel drehen. Der Anlasser gab einen Seufzer von sich, dann war Stille. Verzweifelt drehte er erneut. Diesmal rührte sich gar nichts mehr.
    Erik ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Er fühlte sich verlockend müde. Wie gern hätte er sich in einen gnädigen Schlaf fallen lassen – um irgendwann aufzuwachen und festzustellen, dass alles nur ein Albtraum gewesen war. Aber einschlafen durfte er nicht, zu groß war die Gefahr, im Schlaf zu erfrieren. Wie jene Soldaten in Russland, von denen sein Vater erzählt hatte.
    Aber

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