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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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erneut. „Wisst ihr, was damit gemeint ist?“
    „Keine Ahnung“, riefen Hendrik und Sven wie aus einem Munde und bewegten Hüften und Schultern im Rhythmus der Musik. „Irgendwas mit tanzen“, fügte Sven hinzu, und Hendrik nickte. „Boogie-Woogie eben.“ Jan glaubte plötzlich zu wissen, was Susanne meinte, schob den unaussprechlichen Gedanken jedoch beiseite und hob die Schultern. Hastig griff er zu seinem Bier und leerte das Glas in einem Zug.
    Die Musik brach ab, die Tänzer standen – etwas außer Atem – wieder neben ihm und leerten ebenfalls ihre Gläser.
    „Zur Abwechslung jetzt mal was Langsames.“ Susanne durchsuchte den Schallplattenstapel. „Hier. Peter Maffay.“ Kichernd bediente sie den Plattenspieler. „Meine Mutter findet das Lied unanständig.“ Als sich die Scheibe drehte, wurde sie ernst und sah Jan in die Augen. „Und jetzt tanzen wir .“
    Sie zog ihn an sich, umfasste seine Taille und begann sich in den Hüften zu wiegen. Jan blieb nichts anderes übrig, als ihren Bewegungen zu folgen.
    „Es war ein schöner Tag, der letzte im August. Die Sonne brannte so, als hätte sie’s gewusst. Die Luft war flirrend heiß und um allein zu sein, sagte ich den andern: Ich hab’ heut keine Zeit. Dann traf ich sie und sah in ihre Augen. Und irgendwie hatt’ ich das Gefühl, als winkte sie mir zu und schien zu sagen: Komm setz dich zu mir.“
    Jan versuchte, sich auf die Stimme des Sängers zu konzentrieren, aber die Nähe des weiblichen Körpers – vielleicht auch der Alkohol und die aufgeladene Atmosphäre – benebelten seine Sinne. Als Susanne ihre Wange an seine schmiegte und mit den Lippen sein Ohr berührte, durchlief ihn ein wohliger Schauer. In diesem Augenblick erschien es ihm folgerichtig, dass er ihre Lippen und ihre Zunge plötzlich auf seinen Lippen spürte. Er öffnete den Mund.
    Sein Körper reagierte rasch. Susanne lächelte hintergründig. „Oh“, flüsterte sie, „du fühlst dich nach mehr an.“

5
    Irgendwann zwang ihn die Kälte aus dem Beton, sich aufzurichten. Heftig atmend sah er sich um. Er musste es schaffen, die Tür aufzubrechen. Sein Blick fiel auf den Gabelstapler. Der Gabelstapler würde ihn retten. So oder so. Die Fahrerkabine war beheizbar, darin konnte er ein paar Stunden aushalten. Vielleicht ließ sich das Rolltor ein wenig anheben. Zur Not musste es dran glauben. Er würde einen Stapel Paletten auf die Gabeln nehmen und das Tor durchbrechen.
    Evers hastete, so schnell es sein schmerzender Fuß zuließ, erneut durch den Raum, erreichte das Fahrzeug, riss die Tür auf und schwang sich hinein. Sein Griff zum Zündschloss ging jedoch ins Leere. Jemand hatte den Schlüssel abgezogen. Wütend schlug er auf das Lenkrad ein.
    Mit der Verzweiflung kam die Angst. Wie lange konnte ein Mensch bei minus fünfundzwanzig Grad durchhalten? Füße und Hände waren kaum noch zu spüren, mit jedem Atemzug kühlte sein Körper weiter aus.
    Ich muss mich bewegen, anstrengen. Wärme produzieren.
    Evers verließ die Kanzel des Gabelstaplers und humpelte zurück zum Eingang. Er würde mit irgendetwas gegen die Tür donnern. Notfalls mit Garnelenkartons Vielleicht hörte draußen jemand das Geräusch.
    Draußen. Unvorstellbar, wie warm es dort war. Mindestens achtundzwanzig Grad. Zwischen der Eishölle und dem Paradies befand sich nur eine Wand aus Stahl.
    Der Versuch, einen der Kartons aus dem Regal zu ziehen, trieb ihm die Tränen in die Augen. Seinen klammen Fingern gelang es nur mit Mühe, die Packung zu bewegen. Und er wusste, dass er keine Chance hatte, sie derart kraftvoll gegen die Tür zu werfen, dass er dadurch Aufmerksamkeit erregen würde. Er zerrte sie so weit hervor, dass sie auf seine Unterarme rutschte. Mit mäßigem Schwung beförderte er sie gegen das Blech. Mehr als einen gedämpften dumpfen Ton ergab das nicht. Aber Evers spürte die Wärme, die von der Anstrengung ausging. Rasch zog er einen weiteren Karton aus dem Regal und warf ihn ebenfalls gegen die Tür. Dann den nächsten. Er arbeitete wie von Sinnen, um die Muskeln in Bewegung zu halten.

    *

    Von der Redaktionskonferenz hatte Felix Dorn grünes Licht bekommen. Das Ende des alteingesessenen Betriebes CuxFrisch würde morgen die erste Lokalseite beherrschen. Daraufhin hatte er mit dem Geschäftsführer Brütt, mit Firmeninhaber Behrendsen und mit der Bank telefoniert, aber wenig Erhellendes in Erfahrung gebracht. Weil Politiker in solchen Fällen erfahrungsgemäß gesprächiger waren, hatte er auch

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