Eiskalter Sommer
Namen des Abgeordneten. „Hast du schon Informationen über Ostendorff gefunden?“
„Nicht sehr viel.“ Sie zog ein Blatt hervor. „Adresse, Familienstand, Lebenslauf, erlernter Beruf. Und was sonst noch so auf seiner Homepage steht. Aber das meiste ist uninteressant. Wenn es nach seiner Selbstdarstellung ginge, müssten wir froh sein, einen so tüchtigen Vertreter im Landtag zu haben. Ihm verdanken wir zum Beispiel ...“
„Lass gut sein“, unterbrach sie Röverkamp. „Darauf kann ich verzichten. Aber was ist mit dem Lebenslauf? Gibt’s da Berührungen mit denen von Evers und Jensen?“
„Könnte sein“, nickte Marie. „Sie sind ein Jahrgang. Vielleicht sind sie zusammen zur Schule gegangen.“
„Geht das aus unseren Unterlagen nicht hervor?“
„Leider nicht. Soll ich es mal prüfen?“
„Sicherheitshalber, ja. Wahrscheinlich führt es uns nicht weiter, aber wer weiß ... Was ist mit Berufsausbildung oder Studium?“
Marie beugte sich über ihre Unterlagen. „Ostendorff hat nach dem Wehrdienst BWL studiert, war fünf Jahre bei Plambeck tätig und hat dann sehr schnell Parteikarriere gemacht. Jensen hat nach der Schule eine Lehre als Einzelhandelskaufmann begonnen, aber abgebrochen. Dann hat er Koch gelernt, ist ein paar Jahre zur See gefahren, hat in Belgien und Frankreich gearbeitet. Später in verschiedenen Häusern in Cuxhaven, zuletzt im Hotel Sternhagen in Duhnen. Nachdem seine Küche ein paar Auszeichnungen bekommen hat, ist er Anfang der neunziger Jahre zum Cap Cux gewechselt.“
„Und Evers?“
„Der ist ... war ... gelernter Elektroinstallateur, hat nach der Lehre bei der Cuxhavener Frischfisch angefangen – das ist die Firma, die heute CuxFrisch beziehungsweise CuxFrost heißt. Hat sich im Laufe der Jahre zum technischen Leiter hochgearbeitet. Und war seit fünfzehn Jahren Betriebsrat, davon elf als Vorsitzender.“
Konrad Röverkamp schüttelte den Kopf. „Das gibt alles nichts her. Selbst wenn wir unterstellen, dass Ostendorffs Interesse an dem Fall daher rührt, dass er sich bedroht fühlt, müssen wir uns doch fragen, warum. Was könnten die drei gemeinsam haben, was dem Mörder gefährlich werden könnte?“
„Oder was haben sie getan, wofür er sich rächen wollte?“, ergänzte Marie. „Aber weder für das eine noch für das andere gibt es einen Anhaltspunkt. Vielleicht müssen wir Ostendorff vergessen und uns an Hannes Fedder halten. Immerhin hatte er ziemlich heftige Auseinandersetzungen mit beiden Opfern.“
„Das klingt alles sehr logisch“, seufzte Röverkamp. „Andererseits sehen die beiden Todesfälle nach Planung aus. Als hätte hier jemand darauf Wert gelegt, dass Evers und Jensen durch Erfrieren ums Leben kommen. Fedder traue ich solch ein planvolles Vorgehen nicht zu.“
„Und wenn sein Sohn damit zu tun hat?“ Marie deutete auf den Eintrag in ihrer Übersicht. „Gewissermaßen als Ideengeber. Und der Vater hat die Ausführung übernommen. Vielleicht war die Sache mit dem Kühlfahrzeug nur eine spontane Anschlusstat. Weil das mit Evers so gut funktioniert hat.“
„Das klingt einleuchtend“, bestätigte der Hauptkommissar. „Ich denke, wir sollten Fedder noch mal in die Mangel nehmen.“
„Hannes oder Christian?“
„Beide.“
*
Tim hatte seine Arbeit im Garten wieder aufgenommen. Christine hatte geduscht. Und es sich erneut auf der Terrasse bequem gemacht. Sie beobachtete weiter die Bewegungen des jungen Mannes. Er bewässerte die Blumenbeete und sprengte den Rasen. Hin und wieder warf er ihr einen Blick zu. Äußerlich sah alles aus, als wäre nichts geschehen.
Doch ihr Inneres war aufgewühlt. Seltsamerweise wurde sie nicht von Gewissensbissen geplagt. Nur ihr Herz schlug noch immer heftig, und sie genoss das Gefühl, ein Abenteuer erlebt zu haben, das Geist, Seele und Körper in heftige Erregung versetzt und sie schließlich zutiefst entspannt hatte. Dennoch war eine unbestimmte Sehnsucht geblieben. Und sie fragte sich, ob die plötzliche Neigung, der sie spontan nachgegeben hatte, sich eines Tages – vielleicht schon morgen – wieder einstellen konnte.
Die Melodie des Telefons, das noch immer neben ihr auf dem Boden lag, riss sie aus ihren Gedanken.
Es war ihr Mann. „Ist der Hund wieder aufgetaucht?“, fragte er ohne Begrüßung.
„Skipper?“ Christine Ostendorff brauchte eine Sekunde, um in die Wirklichkeit zurückzukehren. „Ich weiß nicht. Nein. Du hast doch selbst gesagt ...“
„Ich weiß, was ich gesagt habe.
Weitere Kostenlose Bücher