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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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kreiste in seinem Kopf wie ein Ohrwurm. Dennoch breitete sich das Gefühl der Angst, das er seit den Berichten von den beiden seltsamen Todesfällen immer wieder zurückgedrängt hatte, weiter aus.

    Seine Frau empfing ihn an der Haustür. „Tim hat die Kiste in die Garage gestellt. Es wäre gut, wenn der Hund rasch verschwinden würde. Julia hat ihn entdeckt. Sie ist völlig fertig.“
    „Tim?“ Der Name irritierte Ostendorff. „Wer ist ...?“ – Ach so, ja, Tim. Ein Junge aus der Nachbarschaft, den Christine für die Gartenarbeit engagiert hatte. Irgendwann hatte sie ihn vorgestellt. Vage erinnerte er sich an einen Schüler, dessen Gesicht er jedoch ebenso wenig wiedererkennen würde wie das der Jungen, die seine Tochter von Zeit zu Zeit anschleppte.
    „Zuerst spreche ich mit Julia. Sie kriegt einen neuen Hund. Gleich morgen fahren wir nach ...“
    „Hendrik“, unterbrach ihn seine Frau. „Im Augenblick ist das Kind nicht ansprechbar. Julia muss sich erst beruhigen. Dann können wir mit ihr reden. Aber bis dahin sollte das da verschwunden sein.“ Sie deutete mit einer Kopfbewegung zur Garage.
    In Ostendorff arbeitete es. Am liebsten hätte er das Foto aus der Tasche gezogen und es seiner Frau unter die Nase gehalten. Er verspürte den Wunsch, sie zu schlagen. Sie für das Unglück verantwortlich zu machen, das seine Tochter bedrückte und seine Karriere gefährdete. Ihr auf der Stelle das Ende der Familienidylle in die Ohren zu schreien und mit dem Seidentuch, das sie um den Hals geschlungen hatte, das Maul zu stopfen. Oder zu erwürgen ...
    „Warum starrst du mich so an? Ich habe Skipper nicht ...“
    „Schon gut.“ Ostendorff hatte sich besonnen. Mit unüberlegten Handlungen setzte er sich womöglich ins Unrecht. „Ich kümmere mich um das tote Tier.“ Er wandte sich um und ging ohne ein weiteres Wort in Richtung Garage.

    *

    Als Konrad Röverkamp und Marie Janssen vor dem Anwesen der Familie Ostendorff aus dem Wagen stiegen, kniffen beide die Augen gegen das Licht der tief stehenden Sonne zusammen und musterten das Haus.
    Es gehörte zu jenen villenartigen Eigenheimen aus den achtziger Jahren, denen man ansah, dass die Bauherren seinerzeit nicht knausern mussten. Der weitläufige Bau aus rotem Klinker war durch weiße Türen und Fensterrahmen geschmackvoll gegliedert, das Dach mit geschwungenen Gauben versehen. Großzügige Glasflächen deuteten darauf hin, dass auch Energiekosten bei der Planung keine Rolle gespielt hatten. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass die Besitzer Wert auf einen gepflegten Zustand ihres Anwesens legten. Die breite, mit hochwertigen Steinen gepflasterte Zufahrt zur Doppelgarage war mit üppiger Bepflanzung eingerahmt. Die Blütenpracht setzte sich rings um das Haus fort und wirkte so frisch, als sei die sommerliche Hitze- und Trockenperiode am Grundstück der Ostendorffs vorbeigegangen. Das Grundstück schien von parkähnlicher Größe zu sein und bis an den Waldrand zu reichen.
    „Ich wusste ja, dass es unseren Politikern nicht schlecht geht, aber dass ein normaler Landtagsabgeordneter sich so was leisten kann ...“ Marie blies die Wangen auf und ließ die Luft zischend entweichen. „Nicht von schlechten Eltern!“
    „Damit könntest du recht haben“, stimmte Röverkamp zu. „Vielleicht hat er das nicht von seinen Diäten bezahlt, sondern geerbt. – Komm, lass uns den Herrschaften unsere Aufwartung machen. Es drängt mich, den Herrn Abgeordneten kennen zu lernen.“
    An der Tür stand kein Name. Marie drückte auf den Klingelknopf, der aus einer tellerförmigen, polierten Messingscheibe ragte. Im Inneren des Hauses ertönte eine dezente Melodie, kurz darauf öffnete eine hochgewachsene, schlanke blonde Frau im Tennisdress, die sie überrascht musterte. Röverkamp schätzte sie auf Anfang dreißig und er war sicher, dass sie zu jenen Frauen gehörte, die nicht arbeiteten und den Tag mit der Pflege ihres Äußeren verbrachten.
    „Frau Ostendorff?“ Der Hauptkommissar stellte sich und seine Kollegin vor. „Wir würden uns gern mit Ihrem Mann unterhalten.“
    „Kommen Sie wegen des Hundes? Bitte – treten Sie doch ein.“
    Die Beamten folgten der Aufforderung, ohne die Frage zu beantworten.
    „Ich sage meinem Mann Bescheid. Er ist im Garten. Möchten Sie solange auf der Terrasse Platz nehmen?“ Sie führte sie durch das Haus zu einem gepflegten Freisitz mit einladend bequemen Rattanmöbeln.
    „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte sie,

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