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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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antwortete Marie, „er hat nicht gewusst, dass es diesen Sohn gibt. In diesem Fall könnte er überrascht sein. Aber mehr auch nicht. Das allein bringt einen abgebrühten Politiker nicht aus dem Takt.“
    „Also?“
    „Möglichkeit zwei: Er hat Angst. Zum Beispiel davor, dass Erik junior etwas ans Tageslicht bringt, das Ostendorff gern unter der Decke halten möchte, weil es seiner politischen Karriere schaden könnte.“
    Der Hauptkommissar nickte nachdenklich. „Das würde zu seinem albernen Versteckspiel passen. Da er sich und die anderen jungen Männer auf dem Foto wohl erkannt hat, das vor uns aber nicht zugeben will, dürfen wir vermuten, dass die vier Herren eine gemeinsame Leiche im Keller haben. Was nicht unbedingt wörtlich verstanden werden muss.“
    „Also?“, fragte nun Marie.
    „Da Ostendorff mauert, werden wir den jungen Mann suchen. Notfalls per Fahndung. Er wird uns zumindest die Frage beantworten, ob Erik sein Vater ist. Und vielleicht auch erklären können, in welcher Beziehung er zu den anderen stand.“
    „Gehen wir jetzt davon aus, dass Hannes Fedder und sein Sohn aus dem Rennen sind?“
    „Ich meine vorerst ja. Jedenfalls bin ich froh, dass wir Krebsfänger nicht dazu gedrängt haben, einen Haftbefehl zu beantragen. Wenn allerdings der junge Mann auf dem Video hinter den Todesfällen Evers und Jensen steckt, dürfte auch Ostendorff in Gefahr sein. Wir müssen ihn zumindest warnen. Besser wäre sogar, wir könnten ihn überwachen. Ich werde Christiansen bitten, uns drei Teams für eine Rundumüberwachung zur Verfügung zu stellen. Vielleicht bekommen wir dann wenigstens eins. – Kümmerst du dich um die Fahndung?“
    „Selbstverständlich.“ Marie nickte. „Und wer spricht mit Ostendorff?“
    „Das machen wir zusammen.“

19
    „Tja, Jungs. Auf den Deutschen Herbst folgt ein deutscher Winter. Eiszeit ist angesagt. Passt irgendwie. Oder?“
    „Deutscher Herbst?“
    „Baader, Meinhof, Ensslin. Ponto, Schleyer, Buback. Operation Feuerzauber in Mogadischu. Die ganze Terrorscheiße. Nix von gehört? GSG 9 müsstet ihr doch kennen. Und den Film? Kluge, Fassbinder und Konsorten? Lief im Fernsehen.“
    „Schon, aber ...“ Hendrik, der neben dem Fahrer saß, wusste nicht recht, worauf Tom hinauswollte.
    Der machte eine wegwerfende Handbewegung. „Na ja, bringt sowieso nix. Maihofer tritt zurück. Wegen Schleyer. Leber tritt zurück. Wegen MAD-Wanzen. Filbinger muss abdanken. Wegen Nazi-Richteramt. Und nun? Du denkst, jetzt wird alles besser. Aber dann: Strauß wird Ministerpräsident in Bayern! Meinhof und Co hätten lieber Cannabis anbauen sollen. Gras für alle! Du kannst den Kapitalismus nicht wegbomben. Du musst ihn unterlaufen. Dich einfach ausklinken.“
    „Aber“, wandte Jan vom Rücksitz ein, „wenn sich alle ausklinken – wer macht dann die Arbeit?“
    „Arbeit!“, lachte der Langhaarige. „Arbeit ist Ausbeutung. Und Ausbeutung ist Scheiße.“
    „Tolle Logik“, erwiderte Jan. „Wenn Politiker und Unternehmer nicht dafür sorgen würden, dass die Wirtschaft brummt, liefe gar nichts.“
    „Oh Mann, ist das ätzend, Alter. Glaubst du das wirklich? Und die Arbeiter liegen in ihren Villen im Tessin in der Sonne? Na ja, ihr seid auch alle Opfer der Springer-Presse. Lasst uns lieber eine rauchen.“ Tom kramte in einem Netz unter dem Armaturenbrett. „Habe mir vorhin noch eine Tüte gebaut. Hier. Steck mal an! Astreines Gras.“
    Er warf Hendrik einen zerdrückten Joint in den Schoß, der neugierig das zigarettenähnliche Gebilde betrachtete und ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche fummelte. Um nicht in den Verdacht zu kommen, völlig ahnungslos zu sein, setzte er das zugedrehte Ende rasch in Brand, zog einmal und noch einmal und gab den Joint an den Fahrer weiter. Der klebte ihn sich in den Mundwinkel, inhalierte einige Züge und reichte ihn weiter zur Rückbank.
    „Langsam ziehen und ordentlich inhalieren“, riet Tom.
    Ein süßlicher Geruch, der Hendrik an Räucherstäbchen mit einem Hauch von Zitrone erinnerte, breitete sich in dem kleinen Wagen aus.
    Inzwischen hatte wieder Schneefall eingesetzt, und der Wind frischte auf. Mühsam kämpften die Scheibenwischer gegen die Flocken an. Der Ausschnitt, den sie freilegten, wurde allmählich kleiner. Während die Männer schweigend den Joint kreisen ließen, starrten sie durch die beschlagenen Fenster in das Schneetreiben und lauschten dem gleichmäßigen Knattern des Motors, in das sich zunehmend das Geräusch des

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