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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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abstellen.“
    Ostendorff setzte ein gequältes Grinsen auf. „Was ist das denn für eine Räuberpistole? Völlig abwegig. Und lauter Konjunktive – könnte, könnte, könnte . Ich denke, Sie haben jemanden aus der Firma von diesem Evers unter Verdacht. Den sollten Sie festsetzen, statt mich mit solch abenteuerlichen Spekulationen zu behelligen. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich kann ganz gut selbst auf mich aufpassen. Mit einer Bewachung durch Polizeibeamte bin ich keinesfalls einverstanden. Und nun bitte ich Sie zu gehen. Guten Tag.“ Mit einer einladenden Handbewegung öffnete er die Tür.
    Der Besuch der Kriminalbeamten hatte ihn stärker aufgewühlt, als er sich eingestehen mochte. Er war nahe daran gewesen, die Fassung zu verlieren. Während Ostendorff sich einen Cognak einschenkte, bemerkte er, dass seine Hände zitterten. Eine innere Stimme drängte ihn, den Kommissar ins Vertrauen zu ziehen. Wenn er sich der Polizei offenbarte, wäre er die Verantwortung los. Man würde nach Eriks Sohn suchen, ihn finden und zur Rechenschaft ziehen. Die Gefahr wäre gebannt. Aber alles andere würde außer Kontrolle geraten. Man würde die Geschichte von damals ans Licht zerren. Er wäre erledigt. Und wie sollte er dann noch Christine ...?
    Ostendorff stürzte den Kognak hinunter und schüttelte sich. Die Vorstellung, seine Handlungsfähigkeit aufs Spiel zu setzen, trieb ihm den Schweiß aus allen Poren. Rasch kippte er ein zweites Glas. Nein, verdammt. Ich nehme das selbst in die Hand. Bohm junior wird im Hafen versinken. Und mit ihm die Gefahr eines Skandals.
    Mit diesem Entschluss kehrte sein Selbstbewusstsein zurück. Er spülte das Glas aus und stellte die Flasche zurück. Bis es so weit war, würde er sich wie gewohnt um die Alltagsgeschäfte kümmern. Und um den Wahlkampf. Das würde ihn auf andere Gedanken bringen. Offenbar legte Eriks Sohn es darauf an, ihn mit dem Zeitungsartikel und den Fotos zu zermürben. Das würde ihm nicht gelingen. Die warnende Stimme in seinem Inneren schob er zur Seite.

    *

    Der Anruf erreichte ihn am nächsten Tag, als er gerade das Büro verlassen wollte, um zum Yachthafen zu fahren. Mitarbeiter der Werft hatten die „Julia“ nach der Reparatur dorthin zurückgebracht, und er wollte sie sich ansehen. Nun aber würde er einen anderen Weg einschlagen.
    Ostendorff hastete zu seinem Auto, um die Chance zu nutzen. Wenn Bohm den Weg vom Parkplatz zum Grab seines Vaters und wieder zurück zu seinem Wagen in normalem Tempo zurücklegte, würde er mindestens zwanzig Minuten brauchen. Genug Zeit, um den Friedhof zu erreichen, ohne durch Geschwindigkeitsübertretungen aufzufallen.
    Als Ostendorff den Yaris entdeckt hatte, rangierte er in eine Parklücke, von der aus er ihn im Blick hatte und ihm rasch folgen könnte, sobald er losfuhr.
    Lange bevor er das Gesicht des jungen Mannes erkennen konnte, wusste er, dass er ihn gefunden hatte. Er besaß Eriks Gestalt, seine Körperhaltung und seinen Gang. Fasziniert beobachtete Ostendorff, wie das Ebenbild seines Jugendfreundes näher kam, in seinen Taschen nach dem Autoschlüssel suchte, sich in den Wagen setzte und startete.
    Gemächlich rollte der Wagen vom Parkplatz und bog in die Sahlenburger Chaussee ein. Ostendorff folgte ihm ohne Eile.

    *

    Bei einem Rundgang durch die Wohnung hatte Konrad Röverkamp die Räume in einem völlig neuen Licht wahrgenommen. In Gedanken hatte er Amelie Karstens’ Möbel durch modernere, leichtere und hellere ersetzt, die Wände von den vergilbten Tapeten befreit und weiß anstreichen lassen. Die Wirkung hatte ihn überrascht. Er hatte Sabine über weichen Teppichboden gehen und sich selbst in einem bequemen Liegesessel sitzen und ein kühles Bier genießen sehen.
    Die Vorstellung hatte ihn beflügelt. Kurzentschlossen hatte er begonnen, Amelies Esstisch vor die Fensterfront zu rücken, den Fernseher aus der Zimmerecke zu wuchten, um ihn in einer Nische unterzubringen, und die schweren Ledersessel umzugruppieren. Zufrieden betrachtete er das Ergebnis und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Um sicher zu sein, dass der Fernsehapparat noch funktionierte, schaltete er ihn ein. Plötzlicher Durst trieb ihn zum Kühlschrank, wo er feststellen musste, dass der Biervorrat auf zwei Flaschen zusammengeschmolzen war. Er öffnete die vorletzte Flasche, nahm ein Glas aus dem Schrank und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Auf dem Bildschirm lief das Regionalprogramm von Radio Bremen. Aus der Hansestadt, aus

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