Eiskaltes Schweigen
Stunde in einer Armada von Taxis auf den Heimweg über die verschneiten StraÃen der Kurpfalz machten. Der Brautvater war â ebenfalls schwer betrunken â nicht davon abzubringen gewesen, sämtliche Taxis zu bezahlen. Nur Sven Balke und einige Unentwegte hatten es vorgezogen, zu bleiben und später auf einer Sitzbank zu übernachten, oder vielleicht auch darunter. Das Brautpaar selbst war schon früher verschwunden, was jedoch erst nach vier Uhr bemerkt wurde.
Von ungefähr tausend schnauzbärtigen, unentwegt rauchenden und nichts als Griechisch sprechenden Männern war ich kraftvoll umarmt worden. Vielleicht waren es auch immer wieder dieselben gewesen, ich konnte sie bald nicht mehr unterscheiden. Ungefähr tausend mehr oder wenig füllige Tanten oder GroÃtanten oder Cousinen hatten mich aufs Herzlichste an den Busen gedrückt, auf die Wangen geküsst und beglückwünscht, wozu auch immer. Natürlich hatte auch die Flüge der gesamten Verwandtschaft der Brautvater bezahlt, erfuhr ich nebenbei, und bei der Vorstellung, dass auch ich zwei Töchter hatte, die dereinst möglicherweise heiraten würden, hatte mir ein wenig gegraust. Immerhin hatte ich keine Heerscharen vonVerwandten zu füttern und zu tränken, die von weit her eingeflogen werden mussten.
Als ich durch die breite gläserne Tür ins Freie trat, schlug mir die Kälte schmerzhaft ins Gesicht. Es schneite immer noch. Während der gestrigen Trauungszeremonie im Dossenheimer Standesamt hatte ein solches Wintergewitter getobt, dass die Beamtin manche Sätze zweimal wiederholen musste. Der kalte Sturzregen war bald in Schnee übergegangen, und im Lauf des Nachmittags war die Temperatur um fast zwanzig Grad gefallen. Jetzt rieselten feine, glitzernde Flocken lautlos und regelmäÃig vom windstillen Himmel, als wollte es niemals wieder aufhören zu schneien. Wenn ich die Luft anhielt, war es vollkommen still.
Im Schritttempo fuhr ein dunkelgrauer, überlanger Kombi vor. Am Beifahrerfenster ein bleiches Mondgesicht mit übergroÃen Augen auf der Suche nach der richtigen Hausnummer. Der Leichenwagen.
Ich wartete mit dem Anziehen des Mantels, bis ich die Kälte nicht mehr ertragen konnte.
Am Sonntagnachmittag fand die erste Besprechung der eilig gegründeten Sonderkommission »Hochhaus« statt. Das Kickoff-Meeting, wie Balke so etwas neuerdings nannte. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich dieses Mal herauszuhalten. Aber nach einem späten und sehr spartanischen Frühstück hatte ich mich überraschend gut gefühlt. Und als Runkel mir per Telefon den Termin übermittelte und völlig selbstverständlich mit meiner Anwesenheit rechnete, hatte ich mich dann doch nicht bremsen können. Immerhin war ich einer der Ersten am Tatort gewesen, und wenigstens zu Beginn der Ermittlungen wollte ich dabei sein und ein wenig nach dem Rechten sehen.
Meinem Magen ging es sehr viel besser. Athos und Ouzo hatten endlich Frieden geschlossen.
Sowie alles seinen geordneten Gang ging, würde ich mich zurückziehen, hatte ich mir vorgenommen. Sven Balke, jüngst zum Hauptkommissar befördert, hatte ich die Leitung der vorerst noch kleinen Soko übertragen, da Klara Vangelis aus naheliegenden Gründen nicht zur Verfügung stand. Die schwebtevermutlich zusammen mit ihrem frisch Angetrauten irgendwo über der Adria, auf dem Weg nach Griechenland, wohin ihre Hochzeitsreise selbstverständlich führte. Rolf Runkel, der wie fast alle in der Runde übernächtigt wirkte, war mit Leitungsaufgaben überfordert.
Einige der knapp zehn Gesichter am Tisch hatte ich in der vergangenen Nacht schon gesehen. Balke, der erst am Nachmittag in der Direktion aufgetaucht war, steckte noch im selben hellgrauen Anzug wie gestern und schien direkt aus Dossenheim zu kommen. Unrasiert und vermutlich noch nicht wieder ganz nüchtern stierte er vor sich hin. Die Luft im Raum war schon stickig, bevor die Sitzung begann.
Balke hatte das kleine Besprechungszimmer gebucht, und irgendeine gute Seele hatte wenigstens für reichlich Kaffee gesorgt. Runkel war dabei, eine Reihe von Farbfotos an die Pinwand zu heften.
Die Tote hatte ein kurzes, cognacfarbenes Seidennachthemd getragen, das bis über die Hüften hochgerutscht war, als sie auf ihren Mörder traf. Darunter trug sie nichts. Das üppige Schamhaar auf dem ausgeprägten Venushügel war dunkelblond,
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