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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Direkt darunter wohnt eine türkische Familie mit zwei kleinen Kindern. Die wussten gerade mal, dass über ihnen noch wer wohnt. Über Frau Bovary ein arbeitsloser Automechaniker, der Tag und Nacht seltene Blümchen presst. Der meint, er hätte nachts einen Schrei gehört. Könnte aber auch aus einem Fernseher gekommen sein, sagt er.«
    Â»Um welche Uhrzeit?«
    Â»Gegen drei, sagt er, vielleicht auch ein paar Minuten später.«
    Mit einem feinen, siegessicheren Lächeln um den Mund sah sie mich an. Mir fiel auf, dass sie Balkes Blick mied. Hier bahnte sich möglicherweise ein kleines Kompetenzgerangel an.
    Sie wandte sich wieder ihrem Bildschirm zu.
    Â»Kommen wir zum Tatablauf, soweit man dazu schon was sagen kann.« Tastendruck, nächste Folie. »Hier seht ihr einen Grundriss der Wohnung. Ein Zimmer mit Kochecke, hier derFlur, das Bad. Das Ganze hat sich im Flur abgespielt. Der ist zwei Meter und elf Zentimeter lang und einsdreiundzwanzig breit. Der Täter hat sie frontal von vorn angegriffen. Sie muss ihm die Tür geöffnet haben, jedenfalls gibt es keine Einbruchspuren. Dann ist sie vermutlich ein, zwei Schritte rückwärts. Ihr Pech war, dass die Tür in den Wohn- und Schlafraum nach außen aufgeht. Das heißt, sie hat sich selbst den Fluchtweg abgeschnitten. Und dann muss er auch schon zugestochen haben. Sie dürfte sofort das Bewusstsein verloren haben, sagt der Doktor. Sie hat nicht leiden müssen.«
    Ein weiteres Foto erschien auf der Leinwand. Es zeigte die Tote mit bloßem Unterkörper aus der Vogelperspektive.
    Â»Wie ihr an den Wischspuren deutlich seht, hat der Täter anschließend die Tür zum Wohn- und Schlafraum aufgezogen und die Leiche damit zur Seite geschoben. Dann hat er sich ihre Handtasche geschnappt und ist getürmt.«
    Â»Wirkte die Wohnung durchsucht?«, fragte ich.
    Zwei schläfrige Kollegen von der Spurensicherung schüttelten einhellig die Köpfe.
    Â»Die Handtasche ist jedenfalls weg«, sagte Evalina Krauss. »Der Hausmeister ist sich sicher, dass sie abends mit einer schwarzen Lackhandtasche losgezogen ist. Da werden ihre persönlichen Sachen drin sein.«
    Balke öffnete den Mund, und ich dachte, er werde nun endlich die Initiative ergreifen, aber er gähnte nur. Rechts neben mir begann jemand leise zu schnarchen. Rolf Runkel war eingeschlafen. Evalina Krauss stupste ihn an, jedoch ohne Erfolg.
    Das Gespräch erstarb, alle starrten jetzt den mit offenem Mund schlafenden Runkel an. Die Luft schien inzwischen kaum noch Sauerstoff zu enthalten. Kollegin Krauss stupste stärker, die ersten begannen zu grinsen. Der dritte Weckversuch, ein kräftiger Ellbogenstoß in die Rippen, brachte schließlich den gewünschten Erfolg. Runkel schrak hoch und stieß dabei seinen fast vollen Kaffeebecher um. Mit spitzem Schrei und enormer Reaktionsgeschwindigkeit brachte Evalina Krauss ihr Computerchen in Sicherheit.
    Â»Noch mal kurz zur Spurenlage«, fuhr sie unerbittlich fort, als alle sich wieder beruhigt hatten und der Kaffee mit Hilfeeines Packens Papierservietten aufgesaugt war. Ein neues Bild erschien an der Wand. »Der Arzt meint, der Todeszeitpunkt müsse gegen drei Uhr morgens gewesen sein, plus minus ein bisschen. Passt zu dem Schrei, den der Nachbar gehört haben will. Fingerspuren waren praktisch überall, von verschiedenen Personen und natürlich noch lange nicht alle ausgewertet. Und hier …«, wieder ein neues Bild, »… seht ihr einen Fußabdruck. Der Täter muss in das Blut getreten sein, ist sogar ein bisschen ins Rutschen gekommen, und da haben wir ein paar wirklich hübsche Abdrücke.«
    Â»Keine Einbruchspuren, hast du gesagt?« Balke schien endlich das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. »Wie ist er denn reingekommen?«
    Wieder wechselte das Bild an der Wand.
    Â»Hier seht ihr eine Makroaufnahme vom Türschloss. Auf den ersten Blick sieht man nichts. Auf den zweiten auch nichts. Das Schloss ist definitiv nicht geknackt worden. Aber wer ein bisschen Übung hat, kriegt diese alten Dinger mit einer Büroklammer auf. Über den Balkon kann er jedenfalls nicht gekommen sein. Erstens ist das viel zu hoch, und außerdem hätte er im Schnee Spuren hinterlassen.«
    Jemand sprang auf und riss endlich ein Fenster auf. Schon nach Sekunden erhob sich Protest. Denen, die in der Nähe saßen, wurde kalt, und nach einigem Hin

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