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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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selbstverständlich einen Schlüssel hat.«
    Der Unschuldsblick verflog, und sie sah ihn mit düsterer, unversöhnlicher Miene an.
    »Wishart hat einen Freund, der ihn für den Fall, dass seine Frau was herausbekommt, deckt. Troy Campbell. Er sollte behaupten, dass sie das Spiel zusammen gesehen haben, aber wie sich rausstellt, war Troy an dem Abend in Wahrheit bei der Arbeit.«
    Cardinal wartete.
    Nach einer Weile sagte sie: »Wir konnten sonst nirgendwohin. Wir haben nichts weggenommen und haben niemanden geschädigt. Da war Randall immer ganz genau. Sogar mit dem Bett – wir haben eine Decke darübergebreitet, um nichts durcheinanderzubringen oder zu verschmutzen.«
    »Ich weiß. Eine blaue Decke.«
    »Es klingt mies. Ich weiß, es klingt mies. Aber wissen Sie, wie es ist, verliebt zu sein und sich nicht treffen zu können?«
    »Erzählen Sie’s mir.«
    »Es ist schrecklich. Es ist eine Qual. Ich hasse das. Alle anderen können zusammen irgendwo hingehen, etwas gemeinsam unternehmen. Sich küssen. In der Öffentlichkeit Händchen halten, was weiß ich. Sogar Paare, die nicht glücklich miteinander sind. Und wir? Wir sind verrückt nacheinander und müssen uns wie Kriminelle verstecken und warten, bis sich eine besondere Gelegenheit bietet. Wir sehen uns vielleicht alle zwei Wochen. Die meiste Zeit kann ich ihn nicht mal anrufen. Und er mich auch nicht allzu oft.«
    »Haben Sie sich schon mal gefragt, wieso Randall seine Frau nicht verlässt?«
    »Das wird er schon noch tun. Er will sie nur nicht verletzen, und er wartet auf einen günstigen Moment. Er muss vorsichtig sein – ich meine, immerhin arbeitet er bei ihrem Vater und so, das geht nicht von heute auf morgen.«
    »Samantha, Sie haben einiges hinter sich, aber ich fürchte, ich muss Ihnen etwas sagen, das Ihr Leben noch mehr durcheinanderbringen wird.«
    Die dunklen Augen wirkten nicht mehr unversöhnlich. Wieder runzelte sie die Stirn, und plötzlich war sie fast ein Kind, und Cardinal wünschte sich, er könnte ihr das, was er ihr zu sagen hatte, ersparen.
    »Sie hatten recht, dass der Mann, der Sie angegriffen hat, kein Unbekannter war. Das kam auch nicht aus heiterem Himmel. Aber das war nicht der Mann, der am Trout Lake hinter Ihnen her war.«
    »Doch. Er hat immer wieder gesagt: ›Du hast nichts gesehen!‹ Wer sollte denn sonst mit einer Brechstange hinter mir her sein, verdammt?«
    »Also, Sie haben schon recht – es war eindeutig jemand, der nicht will, dass Sie als Zeugin aussagen. Jemand, der weiß, wo Sie wohnen. Jemand, der wusste, wann genau Sie von der Arbeit kommen. Jemand, der wusste, dass Sie mit dem Bus nach Hause fahren würden.«
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass der Kerl mein Handy hat.«
    »So dass er an Ihren Namen und Ihre Adresse kommen könnte.«
    »Nicht nur das. Da ist auch die Nummer vom Champlain gespeichert.«
    »Wie ist sie gespeichert? Unter: ›Wo ich mittwochs, donnerstags und freitags von achtzehn bis zweiundzwanzig Uhr arbeite‹?«
    »Worauf wollen Sie hinaus? Ich weiß nicht, was Sie andeuten wollen. Würden Sie es mir bitte einfach sagen?«
    Cardinal hörte die wachsende Panik, dieselbe Panik wie in ihrer Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Sie umklammerte die Kanten der Untersuchungsliege und öffnete den Mund, als wollte sie noch etwas sagen, etwas, das diesen schrecklichen Polizisten daran hindern konnte, ihr Leben zu ruinieren. Doch vielleicht die vage Ahnung, dass die Angst jeden Moment in Kummer umschlagen würde, ließ sie verstummen. Ihre Unterlippe zitterte, und die dunklen Augen füllten sich mit Tränen.
    Cardinal konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal einen so verletzlichen Menschen gesehen hatte.

[home]
    20
    W ie soll ich hier runterkommen?«, fragte Nikki. Sie hing mit den Knien an einem Ast, und zwar so weit oben, dass ihr Kopf dreißig Zentimeter höher war als Lemurs. Er sah zu ihr hoch und schüttelte mit dieser typisch feierlichen Miene den Kopf. Eine eisige Brise blies ihr, da die Jacke und der Pullover nach unten gerutscht waren, um die nackte Taille.
    »Hey, dein Bauch«, sagte Lemur. »Zeig dich nicht so.«
    »Perversling. Macht dich das an?«
    »Das passt nicht zu uns. Du hast doch gehört, was Papa über Anstand gesagt hat.«
    »Du willst nur keine Mädchen sehen, weil du ’ne Schwuchtel bist.«
    »Nenn mich nicht so.«
    »Hey, chill mal, Lemur – ich mach nur Spaß.«
    »Beleidige mich nicht. Tu ich umgekehrt ja auch nicht. Wir sind zusammen, um uns zu respektieren.

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