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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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darüber zu und zog ihn zurecht. »So. Bevor Sie aussteigen, ziehen Sie den Stoff über Nase und Mund. Haben Sie irgendwas im Kofferraum außer dem Ersatzreifen?«
    Die Vertraulichkeit, mit der er sie berührt hatte, überraschte sie und hatte zur Folge, dass sich ihre Denkprozesse verlangsamten. Ihre Gedanken überschlugen sich in dem Versuch aufzunehmen, was er gesagt hatte. »Äh, ja… Ich glaube, ein kleines Erste-Hilfe-Set ist auch noch drin.«
    »Gut.«
    »Und ein paar Lebensmittel, die ich aus der Hütte mitgenommen habe.«
    »Noch besser.« Er sah sich flüchtig im Wagen um. »Taschenlampe oder sonst was im Handschuhfach?«
    »Nur die Bedienungsanleitung für den Wagen.«
    »Auch egal. Wahrscheinlich hätten wir das Fach sowieso nicht aufbekommen, so zerquetscht, wie es ist.« Er wischte das frische Blut weg, das über seine Wange rann, und streifte dann die Handschuhe über. »Gehen wir.«
    »Moment. Meine Handtasche. Die brauche ich.«
    Sie sah sich suchend nach ihrer Handtasche um und entdeckte, dass sie in den Fußraum vor dem Beifahrersitz gerutscht war, als der Wagen auf den Baum aufgeprallt war. Es war nicht leicht, aber sie schaffte es, zwischen das Armaturenbrett und den Sitz zu fassen und ihre Tasche aus dem Fußraum zu zerren.
    »Hängen Sie den Schulterriemen über den Hals, damit Sie beide Arme frei haben, um das Gleichgewicht zu halten.«
    Sie folgte seinem Vorschlag und fasste nach dem Türgriff. Dann hielt sie inne und sah ihn ängstlich an. »Vielleicht sollten wir lieber hierbleiben, bis wir Hilfe rufen können.«
    »Das könnten wir, aber heute Abend kommt hier bestimmt niemand mehr vorbei, und ich bezweifle, dass wir bis morgen überleben würden.«
    »Dann haben wir wohl keine andere Wahl, oder?«
    »Eigentlich nicht, nein.«
    Wieder fasste sie nach dem Türgriff, aber diesmal war er es, der sie innehalten ließ, indem er eine Hand auf ihre Schulter legte. »Ich wollte nicht so barsch klingen.«
    »Ich habe schon begriffen, dass wir es eilig haben.«
    »Wir müssen unter ein festes Dach, bevor es draußen noch schlimmer wird.«
    Sie nickte. Ihre Blicke trafen sich für ein, zwei Sekunden, dann nahm er die Hand von ihrer Schulter, öffnete die hintere Tür und stieg aus. Lilly folgte ihm zum Heck des Wagens, wo er nachdenklich in den offenen Kofferraum blickte. Er fand das Erste-Hilfe-Set und befahl ihr, es in die Tasche zu stecken. »Und ein paar von diesen Dosen hier. Und die Cracker.«
    Er füllte sich ebenfalls die Manteltaschen mit Dosen, die ihn zu Boden ziehen mussten, vor allem nachdem er den Rucksack aufgehoben hatte, der immer noch auf der Straße lag.
    »Fertig?«, fragte er und sah sie durch den gefrierenden Regen mit zusammengekniffenen Augen an. »So fertig, wie man überhaupt nur sein kann.« Mit dem Kinn gab er ihr ein Zeichen, ihm voranzugehen. Sie waren erst ein paar Schritte weit gekommen, als sie erkannten, dass es ein vergebliches Unterfangen war, auf der vereisten Straße bergauf gehen zu wollen. Bei jedem Schritt, den sie vorwärts kamen, rutschten sie drei zurück. Tierney lenkte sie an den Straßenrand. Er war schmal, oft mussten sie hintereinander gehen, direkt am Fels entlang, und größeren Brocken aus-weichen. Doch der unebene Untergrund war tatsächlich von Vorteil. Die Schuhe fanden auf den Steinen und den Pflanzen unter dem Matsch und Eis leichter Tritt.
    Es ging steil bergauf. Selbst an einem schönen Tag mit idealen Wetterbedingungen wäre die Wanderung bergauf für einen athletischen Sportler ein kräftezehrendes Training gewesen. Meistens blies ihnen der Wind direkt ins Gesicht, sodass sie den Kopf gesenkt halten mussten und zeitweise blind durch den Wirbelsturm von Hagelkörnern marschierten, die sich wie Glasscherben anfühlten, wenn sie auf das Gesicht prallten.
    Immer wieder hielten sie an, um Atem zu schöpfen. Einmal blieb Tierney plötzlich stehen, wandte sich von ihr ab und übergab sich, woraus sie schloss, dass er eine Gehirnerschütterung haben musste. Mindestens. Nachdem ihr aufgefallen war, dass er angefangen hatte, das rechte Bein nachzuziehen, fragte sie sich, ob er sich auch etwas gebrochen hatte.
    Schließlich zehrte der Marsch so an seinen Kräften, dass sie darauf bestand, er solle einen Arm um ihre Schultern legen. Widerwillig, aber notgedrungen willigte er ein. Bei jedem Schritt stützte er sich schwerer auf sie. Sie schleppte sich weiter.
    Inzwischen waren sie im Zustand totaler Erschöpfung und gingen nur weiter, weil ihnen nichts

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