Eisnacht
Wes Hamer vom Bürgersteig vor Ritt's Drugstore aus. »Hierher, Chief. Ich bin ein pflichtbewusster Steuerzahler, und ich habe eine Beschwerde vorzubringen.«
Dutch zog den Bronco aus der Autoschlange, die über die Main Street kroch, und lenkte ihn auf den Behindertenparkplatz vor dem Drugstore. Dann ließ er das Fenster herunter und einen eisigen Luftstoß herein.
Wes kam mit dem typisch wiegenden Gang eines ehemaligen Footballspielers auf ihn zu. In beiden Knien und einer Hüfte hatte Wes Osteoarthritis, aber das ließ er sich nicht anmerken. Er würde verflucht noch mal alles tun, bevor er anderen eine Schwäche eingestand.
»Was wäre das für eine Beschwerde, Coach?«, fragte Dutch ausdruckslos.
»Du bist der ranghöchste Polizist im Ort. Kannst du diese Irren nicht von der Straße holen?«
»Anfangen würde ich mit dir.«
Wes lachte grölend, spürte aber sofort Dutchs Verstimmung und beugte sich in den Wagen. »Hey, Kumpel, wieso das lange Gesicht?«
»Ich habe mich gerade endgültig von Lilly verabschiedet. Vor ein paar Stunden. Oben in der Hütte. Jetzt ist sie endgültig weg, Wes.«
Wes wandte sich ab. »Scott, lass schon mal den Motor warm laufen. Ich komme gleich nach.« Scott, der unter der Markise vor Ritt's Drugstore gestanden hatte, fing den Autoschlüsselbund auf, den Wes ihm zugeworfen hatte, und hob die andere Hand zu einem Abschiedsgruß an Dutch, bevor er über den Gehweg davonschlenderte.
»Hat ihm die Uni in Clemson schon geantwortet?«, fragte Dutch.
»Darüber können wir ein andermal reden. Jetzt reden wir über deine Frau.«
»Exfrau. Mit Betonung auf dem Ex, das hat sie heute Nachmittag noch mal klargestellt.«
»Ich dachte, du wolltest mit ihr reden.«
»Das habe ich.«
»Keine Chance?«
»Keine Chance. Sie hat die Scheidung durchgezogen und ist glücklich damit. Sie will nichts mehr mit mir zu tun haben. Es ist vorbei.« Er rieb sich mit dem Handschuh über die Brauen.
»Fängst du etwa an zu heulen? Jesus, Dutch, ich will mich nicht für meinen besten Freund schämen müssen.«
Dutch sah zu ihm auf. »Fick dich.«
Ungerührt fuhr Wes fort: »Hör auf rumzuwinseln.« Dutchs jämmerlicher Zustand ließ ihn den Kopf schütteln. »Lilly wollte einfach nicht kapieren, wie gut sie es hatte. Sie kann dich mal. Wenn du mich fragst…«
»Ich habe dich aber nicht gefragt.«
»Glaubt sie, dass ihre Scheiße nach Rosen duftet.«
»Ich habe gesagt, ich habe dich nicht gefragt, klar?«
Wes hob in einer kapitulierenden Geste die Hände. »Na schön. Aber es ist nicht so, als hätte sie viel von mir gehalten.«
»Sie hält dich für ein Arschloch.«
»Als würde ich mich von dem, was Ms Lilly Martin Burton über mich denkt, um den Schlaf bringen lassen.« Er lächelte schief und legte eine Hand auf Dutchs Schulter. »Du nimmst die Sache viel zu schwer. Du hast deine Frau verloren, nicht deinen Schwanz. Sieh dich um«, beschwor er Dutch mit einer ausgreifenden Geste. »Überall sind Frauen.«
»Frauen hatte ich genug«, murmelte Dutch. Wes legte den Kopf schief. »Ach ja? Irgendwann mal oder in letzter Zeit?«
Beides, dachte Dutch. Für seine erste Affäre hatte er sich zahllose Rechtfertigungen zurechtgelegt. Den ständigen Druck in der Arbeit. Dass Lilly vollauf damit beschäftigt war, an ihrer Karriere zu arbeiten. Dass der Sex mit ihr vorhersehbar und uninspiriert geworden war. Bla bla bla.
Lilly hatte seine Ausflüchte nacheinander abgeschossen wie Zielscheiben in einer Schießbude. Bis er ihr gestanden hatte , dass er schwach gewesen war, und gelobt hatte, nie wieder fremdzugehen.
Aber der ersten Affäre folgte eine zweite. Dann noch eine, und irgendwann waren ihm sogar die lahmsten Ausreden ausgegangen. Inzwischen begriff er, dass nicht die letzte Affäre den Anfang vom Ende seiner Ehe bedeutet hatte. Sondern die erste. Er hätte wissen müssen, dass eine Frau wie Lilly keine Untreue tolerierte.
Wes sah ihn gespannt an und wartete auf seine Antwort. »Es gab eine Zeit, du weißt schon, nach Amy, da ging es mir so schlecht, dass ich überall Ablenkung suchte, wo ich sie nur finden konnte, und das mit jeder Frau, die mich ranließ, und das war eine ganze Reihe. Aber keine davon konnte Lilly ersetzen.«
»Quatsch. Du hast dich nur nicht lang genug umgesehen. Lässt du dich regelmäßig flachlegen?«
»Wes…«
»Okay, okay, sag nichts, ich hab nichts gefragt. Aber glaubst du, zurzeit würde dich irgendeine Frau auch nur mit der Kneifzange anfassen? Entschuldige die
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