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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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anderes übrig blieb. Sie brauchten fast eine Stunde für die Strecke, die sie im Auto in drei Minuten zurückgelegt hatte. Als sie die Verandastufen der Hütte erreicht hatten, konnten sie sich kaum mehr auf den Beinen halten.
    Lilly lehnte ihn gegen einen Verandapfosten, während sie die Tür aufschloss, und führte ihn dann in die Hütte. Sie blieb kurz stehen, um die Tür zu schließen und ihre Handtasche auf den Boden fallen zu lassen, ehe sie auf einem der Sofas zusammenbrach. Tierney ließ den Rucksack zu Boden gleiten und kippte der Länge nach auf das zweite Sofa ihr gegenüber.
    Mehrere Minuten blieben sie so liegen, nur ihr Keuchen war in der Dunkelheit zu hören. Weil sie vor der Abfahrt die Heizung ausgeschaltet hatte, war es kalt im Raum. Aber verglichen mit draußen war es himmlisch warm.
    Lilly glaubte nicht, dass sie je wieder genug Energie aufbringen würde, um sich zu bewegen, aber schließlich regte sie sich doch und setzte sich auf. Sie fasste nach der Lampe auf dem Beistelltisch und schaltete sie ein. »Gott sei Dank.« Sie blinzelte in das Licht. »Ich hatte schon Angst, dass der Strom inzwischen abgestellt sein könnte.«
    Sie zog die Essensdosen aus ihren Manteltaschen, stellte sie auf den Couchtisch zwischen den zwei Sofas, angelte dann ihr Handy heraus und begann, eine Nummer einzutippen.
    Schlagartig hellwach, setzte sich Tierney auf und fragte: »Wen rufen Sie an?«
    »Dutch.«

Kapitel 5
    Lilly hatte Recht gehabt mit ihrer Prophezeiung, dass es im Ort drunter und drüber zugehen würde.
    Dutch war erst ein paar Stunden zurück, doch schon jetzt sehnte er sich nach dem Frieden in seiner Berghütte. Seiner ehemaligen Berghütte, korrigierte er verbittert.
    Nicht einmal zur Stoßzeit in Downtown Atlanta war der Verkehr so chaotisch gewesen wie heute Abend in Cleary. In beiden Richtungen standen die Autos dicht an dicht, ein endloses Band von roten Heckleuchten auf der einen Seite, ein endloses Band von weißen Scheinwerfern auf der anderen; Alle am einen Ende der Stadt schienen darauf versessen zu sein, ans andere Ende zu gelangen, und umgekehrt.
    Das Sheriffs Department überwachte die ländlichen Gebiete des Countys, aber für den Ort Cleary waren Dutch und sein Police Department zuständig. Für die Einbrecher wäre dies der ideale Zeitpunkt zum Einbrechen gewesen, weil niemand zu Hause war, wo er eigentlich sein sollte, und alle Polizisten vollauf damit beschäftigt waren, das Inferno zu zähmen, das der nahende Sturm ausgelöst hatte.
    Die Ampel an der Kreuzung Moultrie und Main Street war wieder einmal kaputt. An jedem anderen Tag wäre das keine große Sache gewesen. Die Autofahrer hätten sich abgewechselt, sich gegenseitig höflich über die Kreuzung gewinkt und Witze über die Unannehmlichkeiten gemacht. Aber heute hatte es jeder eilig, und die ausgefallene Ampel hatte einen Stau verursacht, der die Autofahrer zur Weißglut reizte.
    Die Polizisten, die nicht auf der Straße waren und den Verkehr regelten, überwachten die Supermärkte, um zu vermeiden, dass es vor den letzten Waren in den Regalen zu Raufereien kam. Wegen der letzten Sardinendose war es bereits zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen.
    Nachdem die Hagelkörner inzwischen größer waren als Steinsalzkörner, würde die rapide wachsende Eisdecke bald zum Problem. Weil die Wetterfront über den Berg kam und an dessen Ostflanke ins Tal wehte, wo sie zusätzlich Feuchtigkeit aufnahm, würden die Bedingungen bald völlig außer Kontrolle geraten. Bis der Sturm vorüber war und Eis und Schnee geschmolzen waren, würde Dutch nur wenig oder keine Ruhe finden.
    Er warf einen Blick auf den Bergkamm des Cleary Peak und stellte fest, dass er inzwischen komplett in Wolken gehüllt war. Er war gerade noch rechtzeitig heruntergekommen und erleichtert, dass Lilly ihm auf den Fersen gefolgt und inzwischen schon längst unterwegs in Richtung Atlanta war. Wenn sie sich beeilte, konnte sie vor dem Sturm herfahren und zu Hause sein, bevor er sie eingeholt hatte.
    Immer noch musste er dauernd an sie denken - wo sie war, was sie wohl gerade machte. Es war eine Angewohnheit, die keine gottverdammte Scheidung der Welt auslöschen konnte. Wenn er daran dachte, wie sie ihn angesehen hatte, bevor er aus der Hütte gestürmt war, senkte sich ein Gewicht wie ein Amboss auf seine Brust. Sie hatte sich vor ihm gefürchtet, woran einzig und allein er schuld war. Er hatte ihr Grund gegeben, sich vor ihm zu fürchten.
    »Hey, Chief!«, rief

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