Eisnacht
Übrigens, warum wolltest du das eigentlich?«
Wes blieb stehen und drehte sich um. »Was?«
Dutch schob die Skibrille in die Stirn und bedachte Wes mit einem langen, prüfenden Blick.
»Was?«
»Warum tust du das, Wes? Versteh mich nicht falsch. Ich will Tierney haben, und es ist mir egal, ob er Blue ist oder nicht. Aber was hast du dabei zu gewinnen?«
Wes schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich kann dir nicht folgen.«
»O doch. Stell dich nicht blöd. Du hast mir praktisch den Schwanz geleckt, nur um zu erreichen, dass ich Tierney selbst zu erwischen versuche. Ich will wissen, warum.«
»Das habe ich dir doch erklärt. Du verdienst die Anerkennung dafür, ihn festgenommen zu haben, nicht das FBI. Ich bade dann im Glanz deines Ruhmes. Das ist doch nicht so schlimm, oder?«
»Nein, das ist nicht schlimm. Aber ich glaube, du hast noch ein Motiv. Und ich glaube, es hat was mit Scott zu tun.«
»Scott?«
»Lass dir eines gesagt sein, Wes - je unschuldiger du tust, desto misstrauischer werde ich. Willst du mich manipulieren? Wie gesagt, ich will Tierney so oder so in die Finger bekommen. Aber davor würde ich gern sichergehen, dass ich nicht für dumm verkauft werde.« Er sah Wes feindselig an. »Hat Scott irgendwas mit dem Verschwinden dieser Frauen zu tun?«
»Klar. Sicher. Als wäre er auf Betsy Calhoun scharf gewesen. Stützstrümpfe haben ihn schon immer wahnsinnig scharf gemacht.«
»Ich meine es ernst.«
»Wenn du es ernst meinst, dann bist du verrückt. Dieser Psychofuzzi in Atlanta hätte dir ein paar zusätzliche Sitzungen verordnen sollen.«
»Mit deinem Kind ist irgendwas faul.«
»Er treibt's mit seiner Englischlehrerin! Meinst du nicht, dass ihn das ein bisschen zappelig machen sollte?«
»Mehr ist nicht?«
»Reicht das nicht?«
»Hat er Millicent was getan?«
»Wie kannst du so was glauben? Du kennst ihn seit seiner Geburt.«
»Dich kenne ich noch länger.« Dutchs Augen wurden schmal. »Sag mir die Wahrheit, Wes. Ist Scott der Mann, den wir suchen?«
»Darauf werde ich keinesfalls…«
»Deckst du ihn?«
»Nein!«
»Ich kenne dich, Wes.«
»Du weißt einen Scheißdreck!«
»Du deckst irgendwen.« Mich!«
Dutch taumelte ein paar Schritte zurück und starrte seinen ältesten Freund ungläubig an. Sein Mund war wie ausgetrocknet.
Wes schnaufte aus, schaute kurz auf den Wald am rechten Straßenrand und wandte sich dann wieder Dutch zu. »Ich habe sie gefickt, okay?«
»Ich kenne dich, Wes. Das habe ich mir schon gedacht.«
»Na klar.« Wes schilderte knapp seine kurze Affäre mit Millicent und wohin sie geführt hatte. »Danach wollte Scott nichts mehr mit ihr zu tun haben, mein Plan, ihre Romanze zu beenden, war also aufs Schönste aufgegangen. Ich hatte nur nicht eingeplant, dass Millicent abtauchen und verschwinden könnte.
Ich hatte nichts damit zu tun. Scott hatte auch nichts damit zu tun. Aber ich muss dir gestehen, mein Freund, dass mich die Ermittlungen nach ihrem Verschwinden nervös gemacht haben, weil Arschlöcher wie Begley Millicents ganzes Leben unters Mikroskop genommen und nach Geheimnissen durchwühlt haben.
Es könnte ganz schön ungemütlich für mich werden, wenn unser kleiner Dreier zum öffentlichen Skandal ausarten würde. Und damit nicht genug. Es würde mir auch nicht gefallen, wenn das FBI, ihre Eltern oder sonst jemand entdecken sollte, dass einer von uns - oder auch ein Unbekannter, wer weiß? - sie angebumst hat.
Egal, wer es war, jedenfalls kam sie damit heulend zu mir gelaufen und behauptete, es wäre mein Kind. Ich hatte das dickste Scheckbuch, wenn du verstehst. Und am meisten zu verlieren, wenn ich nicht zahlte. Scott weiß nicht mal von dem Kind. Gott sei Dank hat sie's durch ihre Magersucht verloren, bevor sie ihre Drohung wahr machen konnte, alles ans Licht zu bringen. Das mit Scott und mir und ihr, den ganzen Schlamassel.«
»Jesus.«
»Genau. Wenn es letztes Frühjahr herausgekommen wäre wäre das schon schlimm genug gewesen. Aber hast du eine Vorstellung, wie tief ich in der Scheiße sitze, wenn es jetzt herauskommt? Selbst wenn ich Ernie Gunns Zorn entkäme - und der ist ein verflixt guter Schütze -, würden Scott und ich sofort an die Spitze der Verdächtigenliste des FBI wandern.
Natürlich würde der Verdacht irgendwann ausgeräumt, aber der Schaden wäre nicht wiedergutzumachen. Meine Ehe und mein Ruf als Coach wären im Eimer. Die Schulbehörde wäre gar nicht begeistert, dass ich einen Cheerleader flachgelegt habe, da
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