Eisnacht
wusste, dass man mit einem leitenden Agenten nicht diskutierte, der die Verantwortung für den gesamten Einsatz trug und das Kommando innehatte, der Helikopter und Hilfe von anderen Behörden anfordern sowie alles nur Erdenkliche unternehmen konnte, was notwendig war, um eine Mission zu einem erfolgreichen und sicheren Ende zu bringen, und der bei einem Fehlschlag allein der Zentrale gegenüber verantwortlich war.
Collier sah auf ihre Mäntel und Straßenschuhe. »Wir haben keine Ausrüstung für Sie.«
»Wir fliegen so mit.«
»Es ist eisig kalt, Sir.«
»Wir vergeuden unnötig Zeit.« Begley fixierte ihn mit einem Nussknackerblick, und Collier, der Eisenharte, wurde weich.
»Gut, Sir. Aber ich muss Sie auf eines hinweisen. Es gibt da oben vertrackte Scherwinde. Es wird kein angenehmer Flug.«
»Danke für die Warnung.« Begley schob sich an Collier vorbei und eilte auf den Helikopter zu. Hoot und Collier folgten ihm im Laufschritt. Collier warf Hoot einen Seitenblick zu, nahm Maß und kam offenbar zu dem Schluss, dass Hoot seinen Ansprüchen nicht genügte. »Ich wusste gar nicht, dass Sie für so was ausgebildet sind.«
»Wofür?«
»Diese Art von Einsatz.«
»Bin ich auch nicht.«
Hoot konnte den Fluch, der Colliers ernster Miene entschlüpfte, von seinen Lippen ablesen. Einen untrainierten Mann im Rücken zu haben war für einen SEK-Polizisten der schnellste Weg, in Ausübung seines Dienstes zu sterben. »Gar nicht?«
Hoot schüttelte den Kopf.
»Dann halten Sie sich im Hintergrund, und bauen Sie keinen Mist.«
»Habe ich nicht vor.«
»Haben Sie Angst?«
»Und wie!«, brüllte Hoot, während er sich unter den wirbelnden Rotoren duckte. »Vor Begley.«
Wes blieb wieder stehen. Dutch, der dichtauf folgte, wäre um ein Haar aufgefahren. »Was soll der Scheiß, Wes?«
»Ich habe was gesehen. Weiter vorn. Zwischen den Bäumen.«
Dutch suchte mit Blicken den Wald ab. »Bist du sicher?«
»Da drüben.« Wes deutete hin.
»Vielleicht ein Reh?«
»Wenn, dann höchstens ein zweibeiniges. Es war ein Mensch Dutch. Ich bin sicher. Gerade als ich um die Kurve kam, sah ich ihn zwischen den Bäumen verschwinden. Links von dem Felsen da. Glaubst du, das war Tierney?«
»Zeig mir den Fleck.«
Sie lenkten die Schneemobile zum Felsen. Von der Oberkante stürzte ein vereister Wasserfall herab. »Rechts davon«, sagte Wes und zeigte dorthin.
Die Spuren im Schnee folgten der Straße bis zur nächsten Haarnadelkurve, bevor sie hinter der Biegung verschwanden. Dort tauchten sie in den Wald ein, so als hätte derjenige, der die Spuren hinterlassen hatte, sie kommen gehört und sich zwischen den Bäumen versteckt.
»Das muss Tierney sein.« Wes' Atem dampfte vor Aufregung. »Wer sollte es sonst sein?«
Dutch musste ihm Recht geben. Wie auf Kommando stellten sie die Motoren ab und kletterten von ihren Schneemobilen. Sie begannen die Gewehre aus den gefütterten Gewehrtaschen zu holen, die sie auf dem Rücken trugen. Obwohl Dutch seine Waffe vor dem Aufbruch gründlich inspiziert hatte, überprüfte er sie noch einmal. Sie war geladen. Bereit. Wes tat es ihm gleich und führte die Prüfung durch wie der geübte Jäger, der er war. Dutch prüfte zusätzlich seine Pistole und ließ eine Patrone in die Kammer gleiten.
Inzwischen hegte er nicht mehr den geringsten Zweifel, dass Tierney ihr Mann war. Wes hatte erklärt, worin sein persönliches Interesse an Millicent Gunns Fall lag. Dutch hatte nie wirklich geglaubt, dass Scott fähig wäre, eine Gewalttat zu begehen. Er hatte den Verdacht, dass der Junge trotz seiner Muskelpakete zu ängstlich und zu unsicher war, um ein Verbrechen zu begehen, von fünf Entführungen ganz zu schweigen. Trotzdem hatte ihm Wes mit seiner Erklärung eine Last von den Schultern genommen. Tierney war ihr Mann.
Wenn nicht, warum war er dann in den Wald gerannt? Er hatte zwei Tage festgesessen. Eigentlich musste er entkräftet sein, angeblich war er sogar verletzt. Hätte er nicht auf sie zurennen müssen, weil er froh war, sie zu sehen, und dankbar, dass endlich Hilfe kam? Warum sollte er sich der Rettung entziehen, wenn diese Rettung nicht mit einer Gefangennahme gleichzusetzen war?
Dutch war bereit. Er schaltete das Funkgerät ein. »Mach deines an, falls wir uns da drin aus den Augen verlieren.«
Wes tastete die Taschen ab und sah Dutch entgeistert an.
»Was denn?«
»Ich glaube, ich habe das Ding vergessen.«
»Du machst Witze.«
Wes zog die Handschuhe aus und klopfte mit
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