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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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darin gelesen, für die Special Agent Wise fast zwei Stunden gebraucht hatte. »Der Herr hatte in Jeremia einen guten Mann.«
    »Ja, Sir.«
    »Er bekam vom Herrn Jehova den Auftrag, den Menschen Dinge zu erzählen, die sie nicht hören wollten und lieber nicht gewusst hätten.«
    Hoots Kenntnisse über die Propheten des Alten Testaments waren beschränkt, darum stimmte er Begleys Exegese mit einem unbestimmten Grunzen zu. »Er bringt sie um, wissen Sie?«
    Hoot bemühte sich hoch konzentriert, den Wagen auf der Straße und mit Begleys Gedankensprüngen Schritt zu halten, und rätselte, ob mit »er« der Prophet, der Herr oder der Unbekannte gemeint war, der in Cleary umging. Er tippte auf den Unbekannten.
    »Wahrscheinlich haben Sie Recht, Sir. Obwohl man meinen sollte, dass inzwischen irgendwelche Überreste gefunden worden wären, wenn er seine Aktivitäten auf diese Gegend beschränkt - und bis jetzt gibt es in diesem Fall keine Spuren, die in einen anderen Teil des Landes führen.«
    »Verflucht, sehen Sie sich diese ›Gegend‹ doch an.« Begley rubbelte mit dem Ärmel über das vereiste Seitenfenster, um etwas von der verschneiten Landschaft zu erkennen. »Da draußen liegen riesige Waldgebiete. Das Gelände ist unerschlossen und bergig. Felsige Flussbetten. Höhlen. Sogar die Tierwelt ist auf seiner Seite. Wer weiß, vielleicht verfüttert er diese Mädchen an die Bären.«
    Bei dem Gedanken schoss Magensäure in Hoots Schlund. Die letzte Tasse Kaffee, die er getrunken hatte, brannte säuerlich in seiner Kehle. »Hoffentlich nicht, Sir.«
    »Die Region ist dünn besiedelt. Der Hurensohn, der die Bombe im Olympiapark von Atlanta gezündet hatte, hielt sich jahrelang hier versteckt, bevor man ihn fand. Nein, Hoot, wenn ich junge Frauen umbringen wollte, würde ich genau so eine Gegend als Jagdgebiet wählen.« Er zeigte nach vorn. »Ist es das?«
    Hoot war noch nie im Leben so glücklich gewesen, ans Ziel zu kommen. Die ganze Nacht durch war er auf Straßen gefahren, die eher einer Eisbahn glichen. An einer Kreuzung kurz hinter Charlotte hatte ein Streifenwagen die Auffahrt zum Highway blockiert. Der Polizist war ausgestiegen und hatte Hoot ein Zeichen gegeben zurückzusetzen. Auf Begleys Befehl hin war Hoot stehen geblieben.
    Der Streifenpolizist war an ihr Fenster getreten und hatte wütend gebrüllt: »Sehen Sie nicht, dass Sie zurückfahren sollen? Hier geht es nicht weiter. Der Highway ist geschlossen.«
    Hoot ließ das Fenster herunterfahren. Begley beugte sich über ihn hinweg, streckte dem Polizisten die Marke hin, erklärte, dass sie einen Straftäter verfolgten, stritt mit dem Polizisten, verwies auf seinen höheren Rang und drohte zuletzt, die gottverfluchte Dreckskarre von der verschissenen Fahrbahn zu schubsen, wenn er nicht sofort zur Seite fuhr, verfluchte Scheiße noch mal. Daraufhin hatte der Polizist den Streifenwagen zur Seite gesetzt.
    Hoot hatte es geschafft, sie auf den Highway zu bringen, ohne dass sie dabei ins Schleudern gekommen waren, aber seither hatten sich die Muskeln in seinem Hals und Rücken nicht wieder entspannt. Begley schien gar nicht wahrzunehmen, in welcher Gefahr sie sich befanden. Entweder das, oder er vertraute Hoots Fahrkünsten mehr als Hoot selbst.
    Begley hatte ihm nur zwei kurze Kaffeepausen gegönnt, und auch da hatten sie den Kaffee und die Sandwiches mit ins Auto genommen. Beim letzten Halt hatte Hoot kaum Zeit gehabt, auf der Toilette den Reißverschluss hochzuziehen, weil Begley ungeduldig an die Tür geklopft und ihn ermahnt hatte, sich zu beeilen.
    In der Morgendämmerung hatte sich die Sicht nur geringfügig verbessert. Die Wolkendecke lag dick und niedrig über dem Land. Der Nebel und das Schneegestöber begrenzten die Sicht auf wenige Meter. Hoots Augen waren rot, weil er sich so anstrengen musste, etwas hinter der Kühlerfigur zu erkennen. Sie hatten pro Stunde höchstens fünfzehn Meilen zurückgelegt. Schneller zu fahren wäre Selbstmord gewesen. Der mit Graupel vermischte Eisregen, der gestern gefallen war, wurde heute durch schwere Schneefälle verschärft, wie sie Hoot in seinen siebenunddreißig Lebensjahren nur selten erlebt hatte.
    Er hätte sich gern eine Dusche, eine Kanne Kaffee und ein warmes, herzhaftes Frühstück gegönnt, bevor sie mit Ben Tierney sprachen. Aber als sie sich der Stadtgrenze von Cleary näherten, wies Begley ihn an, direkt zu dem Motel am Stadtrand zu fahren.
    Die Whistler Falls Lodge bestand aus mehreren einzeln stehenden

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