Eisnacht
Hütten am Ufer eines kleinen Sees, der von einem Wasserfall gespeist wurde. Tiefe Schneewehen hatten sich entlang des Zaunes gesammelt, der den Spielplatz umgab. Aus dem Kamin des Empfangsgebäudes stieg Rauch auf. Abgesehen von diesem Zeichen menschlicher Zivilisation wirkte das Gelände wie eine längst verlassene Schneelandschaft.
Hoot steuerte die Limousine behutsam vom Highway und, wie er hoffte, auf die Zufahrt. Unter dem tiefen Schnee war das nicht auszumachen.
»In welcher Hütte wohnt er?«, fragte Begley.
»Nummer acht.« Hoot nickte in die entsprechende Richtung. »Die gleich am See.«
»Und er ist noch nicht abgereist?«
»Gestern Abend war er noch eingemietet. Aber sein Cherokee ist nirgendwo zu sehen«, bemerkte Hoot enttäuscht. Nur vor einer einzigen Hütte parkte ein Auto, und das war halb zugeschneit. Reifenspuren waren nicht zu sehen. »Sollen wir am Empfang nachfragen?«
»Wozu?«, fragte Begley. Hoot sah ihn an. »Ich kann von hier aus erkennen, dass die Tür zu Nummer acht nur angelehnt ist, Special Agent Wise. Ich wette, wenn wir anklopfen, wird sie von selbst aufgehen«, meinte er mit einem listigen Lächeln.
»Aber Sir, wenn das wirklich unser Mann ist, wollen wir doch nicht, dass er davonkommt, nur weil seine Bürgerrechte verletzt wurden.«
»Wenn das unser Mann ist, verletze ich noch ganz was anderes an ihm, bevor ich ihn mit so einem Rechtsverdrehertrick davonkommen lasse.«
Hoot parkte vor Nummer acht. Es war eine Wohltat, auszusteigen, aufzustehen und sich zu strecken, auch wenn er bis zu den Knöcheln im Schnee versank. Der Wind verschlug ihm den Atem, und seine Augäpfel schienen auf der Stelle festzufrieren, aber den Rücken durchdrücken zu können, wog diese Unannehmlichkeiten auf.
Begley schien weder den blendenden Schnee noch den beißend kalten Wind wahrzunehmen. Er pflügte die Stufen zu der umlaufenden Veranda hoch. Dann probierte er die Tür aus und schob, als sie verschlossen war, kurzerhand eine Kreditkarte durch den Spalt. Sekunden später waren er und Hoot eingetreten.
Drinnen war es wärmer als draußen, aber immer noch so kalt, dass sie ihren Atem sehen konnten. Die Asche im Kamin war kalt und grau. Die Kochecke neben dem Hauptraum war aufgeräumt. Nichts Essbares zu sehen. Das Geschirr stand gespült im Halter. Es stand dort lang genug, um trocken zu sein.
Begley stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich langsam im Kreis, um den Raum in allen Einzelheiten aufzunehmen. »Sieht so aus, als wäre er länger nicht hier gewesen. Heute Morgen ist hier bestimmt kein Cherokee weggefahren, sonst hätten wir selbst bei diesem Schneesturm Reifenspuren entdecken müssen. Haben Sie irgendwelche Vorschläge, wo Mr Tierney die Nacht verbracht haben könnte, Hoot?«
»Nein, Sir.«
»Keine Freundin in der Gegend?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Verwandte?«
»Nein, da bin ich sicher. Er war ein Einzelkind. Die Eltern sind verstorben.«
»Wo hat er dann verflucht noch mal die Nacht verbracht?«
Darauf hatte Hoot auch keine Antwort.
Er folgte Begley ins vordere Schlafzimmer. Nach einem flüchtigen Blick deutete Begley auf das Doppelbett. »Mrs Begley würde das ein schlampig gemachtes Bett nennen. Sie würde sagen, wenn überhaupt jemand dieses Bett gemacht hat, dann war es ein Mann.«
»Ja, Sir.«
Hoot war ein Mann, aber er machte grundsätzlich sein Bett, und er prüfte jedes Mal nach, ob die Tagesdecke gerade lag. Er ließ auch kein Geschirr im Abtropfständer stehen; er trocknete alles ab und stellte es in den Schrank zurück. Außerdem hatte er seine CDs alphabetisch geordnet und seine Sockenschublade nach Farben sortiert, von hell nach dunkel und von rechts nach links.
Aber er würde sich lieber die Zunge abbeißen, als Mr Begley zu widersprechen.
Im Gegensatz zum Hauptraum des Bungalows wirkte das Zimmer, in dem Tierney schlief, bewohnt. Ein Paar schlammige Cowboystiefel lagen schief in der Ecke. Mitten auf dem Boden stand eine offene Reisetasche voller Kleidung. Der Schreibtisch unter dem Fenster war mit Zeitschriften bedeckt. Hoot musste gegen den Drang ankämpfen, sie geradezurücken, während sein Blick die Hochglanztitel überflog.
»Pornos?«, wollte Begley wissen.
»Abenteuer, Sport, Freizeit, Fitness. Solche wie die, für die er seine Artikel schreibt.«
»Na Scheiße.« Begley klang enttäuscht. »Der Raum da draußen würde darauf hindeuten, dass Tierney ein Pedant ist.«
»Was zu dem Profil des Unbekannten passen würde, nach dem wir
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