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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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sah, wie Brunner leuchtende Augen bekam. Jemandem auf den Zahn fühlen, das war quasi seine Spezialdisziplin.
    Meißner tat ihm den Gefallen. Kollege Rambo, übernehmen Sie, dachte er.
    Als Waleri Senaia zurückkam, bemerkte er gleich, dass nun ein anderer Wind wehte. Brunner erwiderte sein freundliches Lächeln mit einer ausdruckslosen Miene, die anderen wichen seinem Blick aus.
    »Herr Senaia«, sagte Brunner, »bisher haben Sie uns den netten Herrn von nebenan vorgespielt und erzählt, Sie wüssten von nichts und hätten auch keine Ahnung, was damals passiert ist.«
    »Den netten Herrn von nebenan?«, fragte Senaia.
    »Jetzt sage ich Ihnen mal, was passiert ist, und Sie hören mir ganz genau zu. Also: Sie sind an diesem Abend im Dezember 1995 zur Donau-Kühlung gefahren, um Eva Maria, Ihre Geliebte, zu treffen. Sie wollten mit ihr zusammen sein, ein neues Leben anfangen. Sie war eine schöne Frau und zudem noch reich, was man von Ihnen nicht gerade behaupten konnte. Sie waren damals ein kleiner georgischer Musiker mit auslaufendem Vertrag und befristeter Aufenthaltsgenehmigung.«
    Senaia legte die Arme schützend vor seinen Bauch. Jetzt ging’s ans Eingemachte.
    »Sie waren genauso wie Eva Maria Helmer auf dem Firmengelände«, fuhr Brunner fort. »Aber Eva Maria hatte nichts zusammengepackt, nicht einmal eine Reisetasche. Sie hatte es sich nämlich anders überlegt. Ihr Verstand oder ihr Gewissen hatte ihr eingegeben, dass ein mittelloser osteuropäischer Musikus es nicht wert war, für ihn ihre Kinder, ihre Villa in Wettstetten, die Firma und ihren Ehemann zu verlassen. Also hat sie Ihnen gesagt: ›Ich komme nicht mit dir mit. Es ist aus zwischen uns. Und jetzt geh. Hau ab!‹«
    Senaia saß reglos wie ein Krokodil auf seinem Stuhl, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Brunner schob seinen Stuhl näher heran. »Sie waren gekränkt, in Ihrer männlichen Ehre getroffen. Sie wollten Ihre Geliebte nicht freigeben, sich nicht einfach so abservieren lassen wie ein abgetragener Mantel, den man in die Kleidersammlung gibt. Ihr Temperament ging mit Ihnen durch. Sie packten sie an den Armen und schüttelten sie durch. Sie schrie: ›Lass mich los, du tust mir weh!‹, aber das machte Sie nur noch rasender. Dann ist bei Ihnen eine Sicherung durchgebrannt. Sie haben Eva Maria Helmer einen Stoß versetzt, sie ist gestürzt und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen.«
    »Und dann?«, fragte Senaia.
    »Erzählen Sie mir, wie es weiterging.«
    »Sie wissen doch sowieso, wie sich alles abgespielt hat. Dann sollten Sie auch wissen, wie es weiterging«, sagte der Georgier ungerührt.
    »Sie geben also zu, dass es so war und Sie Eva Maria Helmer getötet haben?«
    Senaia baute sich in seiner ganzen Leibesfülle vor Brunner auf und trat dann ans Fenster. Während er auf die Straße hinuntersah, strich er sich mit der Hand über das nicht ganz perfekt rasierte Kinn. Dann drehte er sich um und deutete mit dem Finger auf Brunner.
    »Ich habe ja am Ingolstädter Theater schon einige sehr gute und einige mittelmäßige Schauspieler erlebt. Sie gehören eher zu den mittelmäßigen, trotzdem habe ich mich bei Ihrer Vorstellung eben gegruselt. Ich hoffe wirklich nicht, dass Eva Maria das passiert ist, was Sie hier gerade inszeniert haben, und ich kann es nur hoffen, weil ich nicht dabei war. Ich habe Ihnen bereits gesagt, wo ich war. In meinem hässlichen VW Passat draußen vor dem Firmengelände. Und jetzt, meine Damen und Herren«, Senaia machte eine Art Verbeugung, »möchte ich einen Anwalt sprechen, nämlich meinen alten Freund Dr. Altmann aus Ingolstadt. Ohne ihn werde ich nichts mehr sagen. Jeder hat so seine Spezialdisziplin, und meine ist die Musik, nicht die Juristerei. Nur eines will ich Ihnen noch sagen«, er drohte Brunner mit dem Zeigefinger, »zurück fahre ich mit dem ICE , und zwar erster Klasse, das kann ich mir nämlich mittlerweile leisten. Sie haben zwar ein schönes Auto, aber Sie können damit nicht richtig umgehen. Schnelle Autos muss man behandeln wie eine schöne Frau. Mit Gefühl und einer gewissen Raffinesse. Sie jedoch, und lassen Sie sich das von einem alten Herrn mit Erfahrung gesagt sein, sind einfach nur ein Grobian.«
    Das war’s dann wohl, dachte Meißner und kostete Brunners vorläufige Niederlage ein wenig aus. Der Georgier imponierte ihm. »Jeder hat so seine Spezialdisziplin«, der Typ war wirklich stark.
    Beim Hinausgehen sah er, dass Marlu ebenfalls grinste. »Darf ich dem netten Herrn von nebenan

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