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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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können.
    Unter der Tür schiebt Carl die Fotos durch.
    »Hier, denken Sie noch mal darüber nach, ob Sie nicht doch zahlen wollen.«
    Dann nimmt er ihren Schlüssel vom Tisch und geht. Wirklich Sorgen um Enya Alt müsste er sich nicht machen. Sie hat Wasser, Luft, eine Toilette. In der Badewanne könnte sie schlafen. Carl würde in der Nacht in die Wohnung schleichen, würde kurz und hart mit der Lehrerin durch die Tür sprechen. Würde ihr klar machen, dass die Fotos alles andere als ein dummer Schülerwitz sind.
    Hat er sie wirklich verletzt? Vielleicht sitzt Enya Alt auf den vergilbten Fliesen und hat ein blutverkrustetes Gesicht. Zoe blendet in diesem Moment aus, dass Enya Alt sich das Gesicht abwaschen könnte. Sie sieht Enya da kauern. Ein blaues Auge, Schwarzverkrustetes an der Nase, ein klaffende Wunde, die sie sich selber in die Unterlippe gebissen hat.
    Ist es das wert?
    War das die Grenze, die sie immer gesucht hat?
    Sie radelt müde nach Hause.
    Komisch. Sie hatte immer das Gefühl, der Hase aus der Duracell-Werbung zu sein. Der mit endloser Kraft. Power pur. Jetzt fühlt sie sich als habe sie ein Leck. Ein kleines Loch, wo die ganze Kraft einfach rausläuft.

Der letzte Tag des alten Lebens
    D en Abend verbringt sie zusammen mit ihrer Mutter auf der Couch. Sie sagt nicht, dass sie den Film schon mal gesehen hat. Und schon beim ersten Mal nicht gut fand. Es ist egal, es ist einfach wie ein alter Sessel, in den sie sich fallen lässt. Vertraut, ein bisschen schäbig. Es ist wie ein Lied, das sie schon so oft gehört hat, dass sie es schon fast nicht mehr hören kann. Sie sieht, wie ihre Mutter sich die Nägel feilt und nie wirklich zufrieden ist und immer weiter feilt und feilt, bis alle Nägel ganz kurz sind. Sie hört den Rasensprenger im Garten, der im ewigen Hin und Her das Gras wässert, sie hört die Kleinkinder-CD aus Franzis Zimmer. Alles so vertraut.
    Wie der Smartie-Kuchen zu jedem Geburtstag.
    Wie ihr Hello-Kitty-Pyjama, den sie sonntags morgens so lange wie möglich trägt.
    So wie der abgewetzte Hund unter ihrem Kopfkissen.
    Wie der Wunsch, dass alles nur normal sein soll.
    Nicht nur um sie herum.
    Auch in ihr.
    Nach dem Abspann bleibt sie liegen. Sie weiß, sie muss noch zehn, zwölf Minuten aushalten, dann ist sie an der Schwelle zum Schlaf. Dann müsste es reichen.
    Sie lässt eine Talkshow über sich ergehen.
    Ein alternder Schauspieler, ein Autor mit neuem Buch, zwei Politikerinnen in engen, grauen Business-Kostümchen, ein Kabarettist, der auch Klavier spielt. Das perfekte Einschlafprogramm. Um kurz vor elf geht sie hoch. Um elf ist sie wieder hellwach. Ihr Herz schlägt einen harten, schnellen Beat, kalter Schweiß steht auf ihrer Haut. Irgendetwas dreht sich. Dreht durch.
    Morgen ist es vorbei.
    Sie sagt es sich immer wieder.
    Morgen ist der letzte Tag des alten Lebens.
    Morgen wird ein neues Kapitel begonnen. Ein fetter Strich gemacht.
    Sie werden das Scheißgeld holen, Carl wird glücklich sein. Und dann hört was auf.
    Morgen ist es vorbei.
    Sie sagt es sich immer wieder wie ein Mantra.
    Vorbei. Bye-Bye. Versucht es sich in den Kopf zu meißeln, zu hämmern.
    Sie weiß nicht, was danach kommen soll.
    Es ist auch nicht wichtig.
    Hauptsache, es ist erst mal vorbei.
    Gegen drei Uhr wacht sie auf.
    Vielleicht ist ja alles eine Prüfung.
    Vielleicht will Carl sie testen.
    Sie weiß, dass er eigentlich niemandem vertraut. Das hat er nicht gelernt. Hat er sie auf die Probe gestellt? Wollte er prüfen, ob sie wirklich auf seiner Seite steht? Vielleicht hat er der Alt die Fotos ja gar nicht gegeben. Vielleicht spielt er ihr, Zoe, diese blöde Erpressung nur vor. Aber warum ist die Alt ausgerechnet jetzt nicht da?
    Wusste Carl vielleicht, dass sie sich krank melden wird?
    Hat er sie bestochen, damit sie das macht?
    Um zu sehen, wie Zoe reagiert?
    Vielleicht ist sie wirklich der erste Mensch, den Carl an sich ranlassen will. Und sie muss sich eben erst beweisen.
    Ein Teil von ihrem Verstand driftet in den Schlaf ab. Ein Teil bleibt wach. Träume und Gedanken vermischen sich. Sie ist eingefroren auf der halben Strecke zum erlösenden Schlaf. Sie sieht, wie Carl auf sie zukommt, sie an sich zieht. Weil er weiß, dass sie zu ihm stehen wird. Egal, was er tut. Weil er endlich Nähe zulassen kann. Und sie wird es auch von ihm lernen. Aber Enya Alt schleicht sich immer wieder in diese Bilder.
    Mit blutiger Nase. Heulend. Kotzend über dem Klo.
    Um fünf Uhr wird Zoe wieder wach. Herzrasen. Kalter

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