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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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springt aus dem Bett, hilft ihrer Mutter, die kleine Schwester zu beruhigen. Endlich kommt Stefan Kessler ins Zimmer. Mit Mühe können sie Franzi ein paar Tropfen auf die Zunge träufeln. Es dauert nicht lange, bis sich die Muskeln wieder entspannen, die Atmung wieder gleichmäßig einsetzt. Wortlos geht Zoe raus, legt sich wieder in ihr Bett. Früher hatte Franziska fast wöchentlich solche Anfälle, in letzter Zeit nicht mehr so oft. Wahrscheinlich war der laute Streit heute Abend der Auslöser. Sie hatte schon als Baby ganz sensibel auf Stimmungsschwankungen reagiert. Warum, konnte keiner sagen. So wie eigentlich überhaupt niemand sagen kann, was in Franziskas Gehirn passiert. Durch die Sauerstoffunterbrechung vor der Geburt sind manche Regionen in ihrem Kopf abgestorben, ausgetrocknet. Zoe windet sich fast wie unter Schlägen in ihrem Bett. Sie glaubt, in ihrem Schuldsumpf zu versinken. Und plötzlich taucht vor ihrem Auge Enya Alt auf. Zoe spürt, wie sich der Hass formiert, konzentriert. Es ist nicht nur, dass Carl offenbar auf die Lehrerin abfährt. Vom ersten Moment an hat Zoe gespürt, dass Enya Alt – außer vielleicht einem Pickel beim ersten Date – nie ein ernsthaftes Problem hatte. Die stand immer auf der Sonnenseite des Lebens. Zoe hasst sie auch dafür. Und für ihre gute Laune, ihr strahlendes Lächeln, ihre Unbefangenheit, ihre schlanken Beine, ihren tiefen Schlaf.
    Traurig fährt sie hoch.
    Kim und Saskia fehlen ihr.
    Kim und Saskia, die wenigstens auch kleine Päckchen mit sich rumtragen müssen. Kim, die sich schwer tut, sich mehr als drei Vokabeln oder eine mathematische Formel zu merken. Saskia mit ihrer Tannenbaumfigur. Zoe hatte sich die beiden nicht deswegen als Freundinnen ausgesucht, aber es beruhigte sie, dass auch sie ihren Makel mitbrachten. Zoe guckt auf ihr Handy. Irgendwie hat sie gehofft, dass eine von beiden sich melden würde. Sie ist nicht überrascht, dass keine Nachricht auf sie wartet. Es ist nur ein klitzekleiner Stich.
    Vom Schulhof aus beobachtet sie, wie Kim von ihrer Mutter mit dem Auto zur Schule gebracht wird. Offenbar ist auch Kims Mutter der Meinung, es sei eine Zumutung für ihre Tochter, mit Zoe in einem Schulbus zu sitzen. Sie sieht, wie Kim sofort zu Saskia geht. Zwischen den drei Mädchen sind nur wenige Meter und doch andere Klimazonen. Zoe hat das Gefühl, dass sie von den Freundinnen – oder muss sie schon Ex-Freundinnen denken? – weggetrieben wird. Dass sich minütlich die Entfernung zwischen ihnen vergrößert. So lange hat ein Streit noch nie gedauert. In all den Jahren nicht. Soll sie jetzt hingehen und sich entschuldigen? Sie würde gerne hingehen. Aber entschuldigen kann sie sich nicht. Sie hasst dieses Wort. Ent-Schuld-igung. Als ob andere Schuld von einem nehmen oder man selber die Schuld einfach abgeben könnte. So ein Quatsch.
    Carl schiebt sich in das Bild. »Guten Morgen, Eisprinzessin. Wie läuft’s?«.
    »Gut. Am Freitag tanze ich mit unserer Lieblingslehrerin Salsa.«
    Er pfeift durch die Zähne.
    »Du bist echt noch besser als ich dachte. Und das ist eigentlich kaum möglich.«
    Sie freut sich über das Kompliment. Fühlt sich wie ein Straßenköter, der kurz gestreichelt wird.

Nur ein bisschen gemein sein
    D aniela Schenk öffnet erst nach dem zweiten Klingeln. Der Abdruck eines Kissens auf ihrer Wange zeigt, dass sie offenbar ein kleines Mittagsschläfchen gemacht hat. Zoe verachtet sie für ihre Faulheit, strahlt sie aber mit ihrem freundlichsten Lächeln an. »Darf ich wohl mal kurz in Ihren Garten? Uns ist gestern Nachmittag ein Federball rübergeflogen.«
    Während sie das sagt, spielt sie mit ihrem Ohrring. Zoe hat extra die Haare hochgesteckt, damit die Nachbarin ihn auch sieht. Und die sieht ihn sofort. Schließlich kennt sie diesen Ohrring, hat das Gegenstück dazu erst vor einigen Wochen auf ihrer eigenen Couch gefunden. Sie starrt Zoe an.
    »Darf ich?«, flötet diese.
    Daniela Schenk sagt immer noch nichts, öffnet nur die Haustür ein bisschen weiter und Zoe schlüpft in ihrem Top und der knappsten Hotpants, die sie hat, an ihr vorbei.
    Sie kann Daniela Schenks Gedanken fast hören.
    Sie fühlt deren Blicke auf ihrem Po, auf ihren schlanken Beinen.
    Zoe geht bewusst langsam Richtung Terrasse.
    Bislang war da bei Daniela Schenk nur der Verdacht, dass ihr Mann eine Geliebte hat. Jetzt stellt sich heraus, dass es die fünfzehnjährige Nachbarstochter ist. Diese Gewissheit fühlt sich bestimmt fies an. Zoe angelt sich grazil

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