Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
plötzlich die Stimme von Alice hört. Sie kennt das rollende, laute Lachen. Was macht die denn hier? Und vor allem: Ist Julian auch dabei?
»Zoe, komm runter. Wir grillen«, hört sie ihre Mutter rufen.
Vorsichtig geht sie die Treppe runter.
Julian, seine Eltern und ihre Eltern stehen im Garten. Ihr wird leicht übel, trotzdem zwingt sie sich weiterzugehen.
Markus dreht sich um: »He, Zoe. Den hast wirklich du gemacht? Ganz alleine?« Er zeigt beeindruckt auf den kleinen Teich.
Sie nickt nur.
Julian kommt zu ihr, legt den Arm um sie. »Hut ab, wenn ich irgendwann mal baue, weiß ich ja, wer mir das Fundament aushebt.«
»Finger weg.« Ihre Stimme ist zu laut. Zu schneidend. Alle sehen sie an.
»Ich habe hier einen Sonnenbrand«, schiebt sie schnell hinterher und zeigt auf ihre Schulter. Sonja Kesslers Blick bleibt an ihr haften. Immer wieder gehen ihre Augen prüfend zu ihrer Tochter. Was stimmt nicht mit ihr? Sie spürt eine Veränderung, kann sie nicht greifen, nicht packen. Ganz tief in ihr ist da eine Ahnung, dass da mehr ist als ein ausdauerndes Pubertätsgewitter. Aber diese Ahnung ist zu scheu, um sich in den Vordergrund zu spielen.
Direkt nach dem Essen hält Zoe es nicht mehr aus. Unter dem Vorwand, sie habe Franzi schreien gehört, geht sie rein. Sie nimmt sich das Handy ihres Vaters, schleicht in ihr Zimmer. Ihr Vater hat eine Rufnummerunterdrückung. Sie weiß genau, wenn ihre Nummer bei Saskia auf dem Display leuchtet, wird die niemals rangehen. Jetzt meldet sie sich nach dem zweiten Klingeln.
»He. Hier ist Zoe.«
»Hallo.«
»Ich dachte, wir quatschen ein bisschen.«
Zoe fühlt sich klein, verzagt. Sonst hat sie immer kiloweise Worte zur Hand. Jetzt sind alle weg. Wieso ist ihre Freundin so fremd?
»Über was denn?«
»Ist mir egal. Über irgendwas.«
»Lass uns doch über deinen neuen Lover reden.«
»Über wen?«
»Über den coolen Carl. Scheint ja ganz schön abzugehen bei euch, wenn man ihm so zuhört.«
»Carl ist nicht mein Freund. Spinnst du?«
»Wir könnten auch darüber reden, dass du wohl gesagt hast, meine Oberschenkel sähen aus wie eine Marslandschaft.«
»Das habe ich nicht. Was soll das?«
»Eine Freundin von Lilly hat es gehört. Lüg mich also nicht an. Und wie war das? Du warst zu krank, um zu Kims Prüfung zu kommen? Auch gelogen. Weißt du was? Ich weiß nicht, über was ich mit dir jetzt reden sollte.«
Saskia legt auf. Legt einfach auf. Zoe ist wie betäubt. Fünf Minuten später hat sie Lilly am Telefon.
»Eine Freundin von dir behauptet, ich hätte über Saskia gelästert. Was soll das? Wer ist das?«
»Das ist keine Freundin von mir. Sondern die Schwester von einer Mitschülerin glaube ich. Die hat das irgendwo gehört. Und dann hat sie das wohl einer Freundin gepostet, weil sie die Formulierung so witzig fand.«
»Wie heißt diese ominöse Schwester?«
»Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt habe ich auch zu der Fabienne, das ist die aus meiner Klasse, kaum Kontakt. Die wohnt in dem Block am Kanal. Weißt du?«
Zoe legt auf. Es ist zu viel. Julian, der unten auf der Terrasse hockt, Saskia, die sie gemein beschuldigt. Lilly mit ihrem unschuldigen Geplapper. Diese ganzen Lügen um sie herum, die wie feine Spinnweben gesponnen werden.
Im Strandbad
W enn Carl wüsste, wie perfekt sein Plan funktioniert, er käme vor Lachen nicht in den Schlaf. Er hatte es als Versuchsballon gestartet. Als stille Post, die versandet oder den Empfänger erreicht. Er hatte aus Langeweile mit der Gang aus seinem Block am Bahnhof abgehangen. Als auf der anderen Straßenseite Lilly und Saskia an der Bushaltestelle ausstiegen.
»Guck mal die«, hatte die kleine Vivienne gequiekt. »Die Große mit der komischen Haarfarbe geht mit meiner Schwester in eine Klasse.«
Er hatte so gehofft, dass das Gift über Vivienne, Fabienne und Lilly schließlich Saskia erreichen würde. Es war angekommen. Saskia hatte es geschluckt. Und natürlich fühlte sie sich verraten, verletzt, gekränkt, wütend. Sie entfernte sich einen weiteren Schritt von Zoe, um die herum es immer einsamer wurde. So sollte es sein. Genau da wollte er sie haben. Für seinen Plan musste sie verzweifelt genug sein.
Aber Carl ist auch so glücklich. Sowohl Samstag als auch am Sonntag ist er Enya Alt gefolgt und hat festgestellt, dass sie eine treue Seele zu sein scheint. Andere würden wohl langweilig sagen. Beide Tage hat sie im Strandbad verbracht – das Freibad für Alternative. Kein Chlor, keine Pommesbude, kein
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