Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
den Federball, den sie vorher im Nachbarbeet platziert hat, streckt ihre Hotpants gen Himmel, als sie sich bückt. Ein perfektes Schauspiel für eine kleine befriedigende Gemeinheit.
»Da ist er ja. Vielen Dank.«
Sie stolziert an Daniela Schenk vorbei zur Tür hinaus und merkt erleichtert, dass zumindest ein bisschen Druck aus ihrem Kopf entwichen ist. Sie weiß, dass das pervers ist. Dass es krank ist. Aber wenn es ihr schlecht geht, ganz schlecht, tut es ihr ein bisschen gut, wenn es anderen auch schlecht geht. Und Daniela Schenk geht es jetzt sehr schlecht.
Den Rest des Nachmittags tanzt Zoe. Für Franzi. Die gluckst sabbernd vor sich hin, während Zoe sich verrenkt und hüpft und mit dem Popo wackelt. Als Franziska selig einschläft, legt Zoe nach. Wird wilder und schneller, stampft und dreht sich und lässt sich endlich erschöpft auf den Boden fallen. Das sind die Momente, die sie gut erträgt. Zu erschöpft zu sein, um noch irgendein anderes Gefühl daneben wahrnehmen zu können. Das ist gut.
Fast zu nah
Z oe unterhält sich angeregt mit ein paar Mädels. Sie weiß, sie darf jetzt nicht alleine hier rumstehen. Das könnte Enya Alt merkwürdig vorkommen. Es muss so aussehen, als sei sie mit ein paar Freundinnen hier. Als sei es wirklich absoluter Zufall, dass sie denselben Salsa-Kursus besucht wie ihre Lehrerin. Die kommt fast als letzte in den Raum, wirft schwungvoll ihre Tasche auf eine Bank, guckt sich neugierig um und erblickt ihre Schülerin.
»Zoe, was machst du hier? So ein Zufall.«
»Frau Alt? Machen Sie hier auch Salsa? Das ist ja witzig.« Zoe hat die Augen erstaunt aufgerissen. Heuchelt Überraschung.
»Steigst du jetzt mittendrin in den Kursus ein?«, will die Lehrerin jetzt wissen.
Mist. Daran hatte Zoe gar nicht gedacht. Sie bindet sich die Haare zum Knoten, denkt fieberhaft nach. »Ich war eigentlich in dem anderen Kursus am Donnerstag. Aber das ging jetzt zeitlich nicht mehr«, sagt sie schnell. Die Alt scheint es zu schlucken.
Die Tanzlehrerin klatscht zwei Mal in die Hände. »So, jeder sucht sich seinen Partner.«
Zoe registriert, wie sich Paare formieren. Ein paar junge Frauen haben ihren Freund dabei, zwei Jungs sind wohl solo, hoffen aber, dass nicht mehr lange zu sein. Viele Mädels tanzen zusammen. Enya Alt schaut Zoe auffordernd an. »Wollen wir?«
Wie bitte? Hat ihre Lehrerin keinen festen Tanzpartner? Noch nicht mal eine feste Tanzpartnerin? Wie traurig ist das denn? Zoe wischt schnell ihre feuchten Hände an der Jeans ab.
Sie findet es peinlich, wenn Frauen oder Mädchen zusammen tanzen. Und sie findet es fast unerträglich peinlich, dass sie jetzt ihre Lehrerin anfassen soll.
»Ja, super gerne.«
Sie muss sich auf den Rhythmus konzentrieren, auf den Takt, der so ganz anders ist als in der normalen Popmusik.
»Das sieht schon ganz gut aus. Ihr müsst nur beide die Hüften mehr schwingen. Da muss Leidenschaft drin sein, Sinnlichkeit.«
Die Tanzlehrerin korrigiert die Haltung und schlägt dann vor: »Am besten legt ihre eure Hände auf die Hüften der Partnerin. Ihr müsst dann gegen den Druck antanzen.«
Zoe schluckt. Nickt. Tanzt weiter. Lang, kurz-kurz, lang. Sie ist randvoll mit Scham. Die ganze Situation ist ihr zuwider.
»Du machst das echt super«, urteilt Enya Alt, deren Hüften offenbar eingegipst sind.
Zoe nickt wieder. Sie will nicht so nah in dieses offene Gesicht gucken, nicht das Sommerparfum ihrer Lehrerin riechen. Sie will nicht im Ausschnitt den vollen Brustansatz sehen. Das ist ihr zu eng. Zu viel Körperlichkeit. Sie zwingt sich dazu, weiterzumachen. Wenn sie morgen Carl erzählen müsste, dass sie gekniffen hat, würde er sie auslachen. Sie wäre gestorben für ihn. Schlimmer: Er würde sich selber an die Lehrerin ranmachen.
Irgendwann ist es geschafft.
Die Stunde, die sich wie zwei Tage gezogen hat, ist vorbei. Der letzte Song ist verklungen.
»Komm, ich lade dich noch auf eine Cola ein.«
Zoe wollte sich nach dem Kursus eigentlich aus dem Staub machen. Die Frage ihrer Lehrerin ekelt sie fast an. Aber wieder nickt sie nur. Sie soll sich an sie ranmachen, sich einschleimen. Das ist der Job.
Zoe registriert, dass sich niemand von Enya verabschiedet. Alle scheinen sich untereinander zu kennen, werfen sich Händchen zu, quatschen noch. Enya scheint unsichtbar. Sie gehen in ein Café um die Ecke. Zoe hatte schon befürchtet, die Lehrerin würde sie nach Hause einladen. Die Wohnung ist nur zwei Straßen entfernt. Doch wahrscheinlich ist die
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