Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
feist gelogen hat, wird er sie auch anlügen und alles abstreiten. Was soll er auch sagen? Sorry, dass ich so einen Mist erzählt habe, aber ich habe mir Sex mit dir so oft vorgestellt, dass ich schon dachte, es sei wirklich passiert? Oder: Wollte einen auf dicke Hose machen, weil Nils so mit seinem neuen Rennrad angegeben hat. Aber gegen eine Nummer mit dir ist sogar sein Bike Schrott?
Wohl kaum.
Also bleibt nur Möglichkeit Nummer drei. Sie muss Julian ab sofort ignorieren. Ende. Aus. Sie überlegt, ob sie traurig ist und spürt nichts. Es war manchmal witzig mit ihm. Mehr auch nicht. Es war manchmal praktisch, mit ihm befreundet zu sein. Aber sie braucht ihn nicht. Zoe ist sich sicher, dass sie niemanden braucht. Also ist es auch nicht wichtig, dass Julian ab sofort für sie gestorben ist. Besser keine Freunde als schlechte. Man kann nicht gekränkt, benutzt, belogen werden. Sie streicht die ersten beiden Sätze auf ihrer Liste fett durch und lehnt sich zufrieden zurück.
So löst man Probleme.
Nicht mit Brüllen oder Heulen. Bringt doch nichts.
Annäherung
S ie plant ihr Vorgehen genau. Um zehn vor drei geht sie runter. Ihre Mutter ist dabei, Sahne zu schlagen, holt mit der anderen Hand Quark aus dem Kühlschrank. Der Tisch ist auch noch nicht gedeckt. Sonja Kessler wirkt gehetzt. Genau so hat Zoe sich das vorgestellt. Ihre Mutter hat jetzt definitiv keine Zeit für eine Auseinandersetzung.
»Du Mami, ich habe ganz vergessen, dass heute noch mal eine kurze Probe für das Schulfest ist. Ich muss da hin, so leid es mir tut. Aber ich beeile mich, ja?«
Sonja Kessler guckt sie gestresst an. »Muss das sein? Ich dachte, du hilfst mir. Außerdem ist das eine lang geplante Familiensache.«
»Ich weiß. Ich finde es ja auch kacke. Ich hatte mich so gefreut. Ich versuche, in einer Stunde wieder da zu sein.«
Damit ist sie raus. Natürlich wird sie nicht in einer Stunde zurück sein. Was sie vorhat, dauert eh länger. Sie hat sich alle Salsa-Angebote der Stadt notiert. Alle Kurse, alle Tanzschulen. Die wird sie jetzt abklappern.
Drei Mal muss sie ihr Sprüchlein aufsagen. »Hi, ich interessiere mich für Salsa-Kurse. Ein Freundin von mir, Enya Alt, tanzt glaube ich auch hier und hat Sie empfohlen.«
In den ersten beiden Tanzschulen sprang niemand auf den Namen an, sie bekam aber reichlich Informationsangebote. In dem dritten Tanzcenter lacht die Frau gegenüber gleich freundlich. »Klar, die Enya, die ist ja total begeistert, macht gleich zwei Anfängerkurse auf einmal.«
Zoe verdreht die Augen. Da ist die bescheuerte Lehrerin absolute Anfängerin und vermerkt »Salsa« gleich als ihr Hobby im Netz. Angeberin.
Auch hier packt sie Broschüren ein.
Die Anfängerkurse sind dienstags, donnerstags und freitags. Den Kursus am Donnerstag kann die Alt nicht belegt haben, weil sie da die Theater-AG betreut. Also wird sie am Dienstag und Freitag ihre Hüften schwingen. Zoe meldet sich spontan für den Freitagkursus an.
»Der beginnt dann direkt am ersten Freitag nach den Ferien«, sagt die freundliche Frau.
»Nein, nein. Ich will jetzt anfangen. Diesen Freitag.«
»Das geht nicht. Vor allem nicht ohne Vorkenntnisse, der Kurs hat ja schon vor Wochen angefangen«, beharrt die Frau ihr gegenüber.
»Ich habe ja schon Vorkenntnisse. Ich bezahle auch die gesamte Gebühr.«
»Aber der Kursus dauert doch nur noch ein paar Stunden.«
»Das ist mir egal.«
Die Frau zuckt mit den Schultern. »Okay, wenn du unbedingt willst.«
Plötzlich grinst sie Zoe an. Fast verschwörerisch. »Verstehe. Ist wohl jemand in dem Kursus, mit dem du unbedingt tanzen willst? Alles klar. Zahl einfach die Hälfte der Kursgebühr. Das geht schon in Ordnung.«
Zoe schafft es, nicht genervt die Augen zu verdrehen. Soll die Alte doch denken, dass Zoe auf einen Tanz-Typen scharf ist und ihr Becken an ihn pressen will.
Zwanzig Minuten später verlässt Zoe mit ihrem Anmeldeformular das Tanzcenter. Den Abend verbringt sie vor YouTube und übt, bis ihr die Hüften wehtun. Dabei vergisst sie auch den nervigen Streit mit ihren Eltern. Sie hatte natürlich damit gerechnet, dass ihre Eltern sauer sein würden, weil sie erst so spät zurückkam. Julian und seine Eltern waren schon wieder gegangen, so wie Zoe es gehofft hatte. Sie stand in der Küche, löffelte den Rest Erdbeerquark direkt aus der großen Schüssel, als Stefan Kessler sie ins Wohnzimmer bat. Unsicher folgte sie ihrem Vater, blieb im Türrahmen stehen.
»Setz dich zu uns«, forderte er
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