EisTau
Schlaufe und schaukelte, während sie zur gezupften Begleitung Evergreens sang, mit einer Intensität, die mich einen Vorhang zwischen uns beiden und der Welt ziehen ließ, meine fiebrige Phantasie machte mich befangen, als wir auf der Kantinenfeier danach nebeneinanderstanden, sie konnte bestimmt spüren, daß ich sie mit anderen Augen anschaute, mein Verlangen durchsetzt mit ein gerüttelt Maß an Unsicherheit, meine Zunge mein bester Feind, und doch lag sie einige Stunden später neben mir, wie auch jetzt, mit dem Kopf auf meiner Schulter und einer Hand auf meiner Brust, und wie so oft an Tagen auf offener See, an denen uns die eine oder andere freie Stunde vergönnt ist, bittet sie mich, ihr etwas vorzulesen. Ich komme dieser Bitte gerne nach, ich empfinde sie als eine Geste der Vertrautheit, ich lese ihr einen Ausschnitt aus den Berichten der sogenannten Entdecker vor, weil sie so bezaubernd Anteil nimmt an den Leiden der Pioniere, während ich in meiner Wut nichts anderes wahrnehmen kann als die Raffsucht, mit der diese Parvenüs von der Antarktis Besitz zu ergreifen suchten, als wäre sie eine Jungfrau, die ihnen nach der ersten Nacht für alle weiteren Nächte zugesprochen worden sei, weswegen sie jeden Konkurrenten als diebischen Nebenbuhler verachteten, zugleich aber ihre Gelüste zuverbergen suchten, um ihren Ruf als lupenreine Gentlemen nicht zu gefährden. Das kommt dir nur so vor, sagt Paulina nach einer Pause, die sie gelegentlich fordert, damit sie zur Erzählung aufschließen kann, weil du es so vorliest, dein Zorn sickert in ihre Worte hinein, du bist doch diesen Männern ähnlich, du willst über die Antarktis bestimmen. Ja, sage ich mit aufbrausender Stimme, ich will keine Menschen und kein Treiböl in der Antarktis, aber ich will sie nicht besitzen, das ist der Unterschied, kein Teil von ihr soll nach mir benannt sein, ich will, daß sie in Ruhe gelassen wird, nichts weiter. Paulina zieht eine Schnute und kraust die Nase, you’re noisy, sometimes you’re a noisy person , sie wirkt nicht schutzbedürftig, wenn sie mich derart herausfordert, in die Schranken weist, mit einfachen Sätzen, die meine Repliken unangemessen aufgebläht wirken lassen, das steigert meine Wut, dieses Mich-nicht-erklären-Können, selbst ihr gegenüber, was ich wahrnehme und fürchte und verabscheue, ist mit den Händen zu fassen, unsere hochdotierte Verkommenheit, wieso fällt es mir so schwer, das Offenkundige denen zu erklären, die es nicht erkennen können? Betrachten Sie das Bild, sehen Sie darin eine schöne junge Frau oder eine runzlige alte Frau? Und wenn Sie die runzlige alte Frau gesehen haben, werden Sie jemals die schöne junge Frau wahrnehmen können? Ich wende mich von Paulina ab, liege aufgeblasen in meinem Zorn wie ein See-Elefant in seinem Schlammloch, bis ich mich wieder beruhigt habe, meine Paulina, flüstere ich ihr leidmütig zu, du bist mir so unverständlich wie die Welt, und sie erstrahlt, über das my Paulina vermutlich, verweilt im Lächeln, ein wenig Glück hält bei ihr lange vor, sparsam geht sie mit ihren Segnungen um, andere benötigen täglich eine neueRation. Ich kann mir nicht vorstellen, es könnte sich Streit zwischen uns einnisten, in der Enge unserer Kabine, sie erkennt intuitiv, wo ich versöhnbar bin, das erste Mal geschah es unerwartet, ich erschrak, sie nahm meine Rage in ihren Mund und kühlte sie, so daß wir beide verstummten. Später streichelte ich ihr Bäuchlein und sagte: This makes you complete , und sie erwiderte: You make me complete , ein Satz, den ich ihr niemals durchgehen lassen würde, wenn ihr Lachen nicht aufkochen und weiterbrodeln würde, während ihr Bauch bebt, mich erregt, sie nimmt mir das Buch aus den Händen, legt es dort ab, wo ich wenig später ihre Unterwäsche hinwerfe, ich sehe ihr jeden Satz nach, und um nichts Falsches mehr zu sagen, schweige ich mit eifriger Zunge, meine Hände auf ihre Brüste gelegt, selbst wenn ich vom Rollen des Schiffes fast abgeworfen werde, meine Zunge kreist weiter, ihre Lust aufzuziehen, damit sie erhalten bleibt, die Dünung bedingt den Rhythmus, und ich bilde mir ein, daß sie salzig schmeckt. Werden wir uns jemals verstehen können? driftet durch meine umstöhnten Gedanken. Sie wünscht sich, daß wir einfach nur sind, ich suche nach einer Befreiung in einem wahrhaftigeren Schweigen.
Im Sommer bevor mein Gletscher starb, packten wir unser Hab und Gut ein und wieder aus. Der Urlaub verging und mir die Lust an
Weitere Kostenlose Bücher