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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Angst machen. Zudem ist er ein rationaler Mensch. Bei dieser Kombination kommt man meistens zu einem Punkt, an dem man verhandeln kann.«
    »Und Burri?«
    »Der hat die Sache angezettelt.« Einen Moment überlegte der Kommissar, dann sagte er: »Ich glaube, mit Christoph müssen wir bis an den Bach runtergehen … bis ans bittere Ende.«
    Das Taxi folgte dem Kreisverkehr am Bellevue und fuhr die Rämistrasse hoch auf den Berg.
    »Und weshalb willst du zuerst zu Winter?«, fragte Jagmetti.
    »Ich will wissen, wo er steht. Danach fahren wir zu Burri.«
    »Aber wir wissen doch …«
    »Wir müssen eine Komplizenschaft aufbrechen, darum geht es.« Eschenbach sog Luft ein und hielt sich das Taschentuch vors Gesicht. Kein Niesen. Nur tränende Augen.
    Vor einem Garagentor jagten ein paar Jungs mit Hockeyschläger einem Puck nach. Der Taxifahrer bremste vorsichtig.
    »Kurt Gloor ist das schwächste Glied in der Kette …« Der Kommissar sprach ins Taschentuch. »Diese Mischung aus Opportunismus und Angstschweiß … Aber jetzt geht’s um Winter. Welche Rolle spielt er im Ganzen?«
    Sie waren fast schon bei der ETH, als Juliet anrief:
    »Wo bist du«, fragte sie besorgt.
    »In ein paar Minuten bei dir … ist Winter da?«
    »Deshalb rufe ich an. Er ist vor zehn Minuten weg. Ich mache mir Sorgen.«
    »Wohin?«
    »Zu Burri, glaube ich.«
    Der Kommissar bat den Taxifahrer bei der nächsten Gelegenheit zu wenden. Er nannte Burris Adresse. »Bist du sicher?«, fragte er Juliet.
    »Sie haben gestritten, ja … am Telefon. Heftig gestritten sogar. Ich habe den Professor noch nie so in Rage gesehen. Ich bringe ihn um, hat er gesagt. Ich bring ihn um, diesen Quacksalber … Dann ist er gegangen.«
    »Wir sind schon auf dem Weg«, sagte Eschenbach. Er versuchte ruhig zu bleiben. Als es wieder kitzelte in der Nase, drückte er sie zu. »Es sind beides gebildete Leute … mach dir bitte keine Sorgen.«
    Nachdem er die Verbindung beendet hatte, raufte sich Eschenbach die Haare.
    » Bitte keine Sorgen klingt wenig überzeugend«, befand Jagmetti.
    »Ja, eben! Eine Scheiße ist das … eine elende Scheiße!«
    Während der knapp zehn Minuten, die der Taxifahrer bis ins Englischviertel-Quartier brauchte, sagte keiner etwas. Eschenbach nieste dann und wann, sonst herrschte Stille.
    Wie in Zeitlupe zogen die Häuserfronten an ihnen vorbei. Und nach den Häuserfronten kamen die Vorgärten. Erst-, Zweit- und Drittklässler, die von der Schule schon nach Hause gekommen waren, bauten Iglus und Schneemänner. Auf den Gehsteigen und hinter kahlen Hecken und Gartentoren wurde gespielt und mit Schaufeln hantiert, bis die Mütter zum Essen riefen. Eschenbach war, als gleite ein letztes Stück heile Welt schweigend an ihnen vorbei.
    Vor Burris Villa hielten sie an. Der Kommissar beglich eilig die Rechnung, dann stiegen sie aus. Das schmiedeeiserne Tor stand offen, und der Weg, der zwischen einem alten Brunnentrog und halbhohen Nadelbäumen zur Haustür führte, war mit Fußspuren übersät.
    Keine Geräusche, auch keine Stimmen waren zu hören. Nachdem der Kommissar ein zweites Mal die Klingel gedrückt und dem vertrauten Dreiklang der Glocke gelauscht hatte, gingen sie ums Haus herum in den Garten. Mit Halbschuhen stapften sie durch den kniehohen Schnee. Die weiß gepuderte Fichte spiegelte sich wie eine eitle Dame in der Fensterfront. Sie gingen bis zur Veranda und spähten durch die Glastür ins Innere des Hauses.
    Der Kommissar entdeckte seinen Freund. Regungslos hockte er auf der Couch, den Kopf in die Hände gestützt; genau dort, wo Eschenbach vor Kurzem mit Denise Gloor gelegen hatte.
    Der Polizeibeamte klopfte an die Scheibe und rief. Ein Moment verstrich, dann öffnete sich die Tür.
    Es war Tobias Meiendörfer. »Sie kommen zu spät, Eschenbach.«
    Den Kommissar durchlief ein kalter Schauer. Langsam stieg er über die Schwelle, trat hinein ins Wohnzimmer.
    Burri saß noch immer da, wie eingefroren auf seinem Platz. Zwei Meter daneben lag Winter auf dem Boden. Blutend, mit aufgeschlagenem Schädel.
    »Ein Unfall …«, murmelte der Arzt. »Ich wollte das nicht.«
    »Ich war oben«, sagte Meiendörfer. Er deutete fahrig zur Treppe, die in den ersten Stock führte. »Als Winter wütend hereinmarschierte … Ich dachte, es ist besser, ich lasse sie allein. Es sind gebildete Menschen …« Er wusste nicht mehr weiter und fuhr sich linkisch mit der Hand durch sein blondes, strähniges Haar.
    Eschenbach kniete sich neben Winter und

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