Eistod
Laufen … bis jetzt no positive fit .«
»Okay«, sagte Eschenbach. »Dann geben wir das Bild heute Nachmittag an die Presse.«
»Denke nicht, dass wir noch eine identification bekommen«, meinte Koeninger. »Der run ist gleich fertig.«
»Sie können mich sonst immer noch anrufen.«
»Alles klar.«
Der Kommissar legte auf und sah auf die Unterschriftenmappe, die ihm Rosa die ganze Zeit hingehalten hatte.
»Nichts Wichtiges, nur Dringliches«, sagte sie geschäftig.
»Seit die dort ein Programm für den Bilderabgleich haben, ist Englisch angesagt«, murmelte der Kommissar und begann zu unterschreiben.
»So what!« Rosa packte sich die Mappe unter den Arm und ging zur Tür. »Ach ja, bevor ich es vergesse.« Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte sie sich um, hielt den Kopf schief und sagte: »Eine Frau Ehrat wollte Sie sprechen.«
»Sie war hier?« Eschenbach riss die Augen auf.
»Natürlich nicht … sie hat angerufen, heute Morgen.«
»Und das sagen Sie mir erst jetzt? Frau Mazzoleni!«
»Ist es denn so dringend?«
»Nein, dringend ist es nicht …« Der Kommissar drehte verlegen an seinem Bleistift. Und als Rosa das Büro verlassen hatte, rief er ihr laut hinterher: »Aber wichtig!«
12
KOsNaReAlDb SiClHgWINaNa –
Konrad Schwinn saß vor seinem Laptop und lächelte. Er hatte schon schwierigere Codes entschlüsselt. Aber dieser hatte es in sich; er war fantasievoll, geradezu originell. Die Basis dazu lieferte das Periodensystem der chemischen Elemente.
K(alium) – Os(mium) – N(atrium) – Re(Rhenium) – Al(uminium) – Db(Dubnium) usw. Das ganze Alphabet verbarg sich in dieser von Dimitri Mendelejew und Lothar Meyer 1869 entworfenen Tabellenstruktur.
Rätselhaft erschien ihm, dass einige Elemente beim Codierungsprozess nicht zur Anwendung kamen. Zuerst hatte Schwinn angenommen, es handele sich um die Gase: Wasserstoff (H), Helium (He), Stickstoff (N) usw. Doch der erste Eindruck täuschte. Chlor (Cl), bei Raumtemperatur ebenfalls ein Gas, war Teil des Codierungssystems. Lange tüftelte Schwinn daran herum, schrieb sein Programm neu und dachte über die Verwendung der Elemente nach.
Es gab eine schier unüberschaubare Anzahl Möglichkeiten, die Elemente nach ihren Eigenschaften zu ordnen. Der Konvalenzradius, die Dichte, die Oxidationszahlen oder die Elektronennegativität. Es war zum Verzweifeln.
Vielleicht wäre jemand, der von Chemie überhaupt nichts verstand, im Vorteil gewesen. Möglicherweise war der Verfasser gar kein Chemiker, kein studierter jedenfalls, dachte Schwinn.
Die Einzimmerwohnung, die er kurzfristig angemietet hatte, war an einem der Anschlagbretter im Juristischen Institut inseriert worden. Sie gehörte einer Studentin im siebten Semester, die für vier Wochen zu ihren Eltern nach Florida geflogen war und das Geld gut brauchen konnte. Als Assistenzprofessor an der ETH war er der jungen Frau so vertrauenswürdig wie der Papst erschienen. Er ließ den sieben Mitbewerbern keine Chance. Zudem waren Blumen und eine Katze zu versorgen und das traute sie ihm offenbar noch am ehesten zu.
Mit der Bitte um Verschwiegenheit und Diskretion hatte Schwinn auf tausend Franken aufgerundet. Seine Frau habe ihn betrogen und er wolle eine Weile seine Ruhe. Die Studentin hatte mitfühlend dreingeschaut. Mit dem Schweigegeld hatte die angehende Juristin keine Probleme. Eigentlich schade.
Obwohl die Wohnung nur über einen kleinen Ölofen verfügte und es nicht sonderlich warm war, öffnete Schwinn das Fenster. Er brauchte frische Luft. Im kleinen Innenhof lag ein halber Meter Schnee. Vielleicht auch ein ganzer; von hier oben war das schlecht zu sagen. Die Luft war eisig. Schwinn schloss das Fenster wieder, ging in die Küche und wartete, bis das Teewasser kochte.
Die mit Eis bedeckte Fensterbank und das dampfende Wasser im Kocher; plötzlich kam Schwinn der Gedanke, dass im Zusammenhang mit dem Code die Aggregatzustände der Elemente eine Rolle spielen könnten. Denn bei ausreichend tiefen Temperaturen verfestigten sich selbst Gase.
Schwinn dachte an den Versuch mit der Rose. Er führte ihn gerne den Studenten im ersten Semester an der ETH vor: Er tauchte eine weiche Blüte in einen Behälter mit flüssiger Luft. Nach einer Sekunde war die Blüte zu Eis erstarrt und ihre samtenen Blätter zerbrechlich geworden, wie hauchdünnes, rotes Glas. Ein fragiles Geschenk für das hübscheste Mädchen im Hörsaal. Meistens erntete er ein großes Hallo und ein verlegenes Lächeln.
Mit
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