Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
Vom Netzwerk:
Schwerzenbach an. Es war möglich, dass man dort etwas über die seltsamen Versuche wusste. Er kannte Dr. Marc Chapuis, der den Betrieb leitete, gut, konnte ihn aber nicht erreichen. Chapuis sei auf einem internationalen Symposium, hieß es, und werde erst in drei Tagen zurückkommen. Schwinn wollte sich keinen Termin geben lassen. Das war zu riskant, dachte er. Seit dem Gespräch mit Winter an der ETH hatte er sich nicht mehr gemeldet. Bei niemandem. Vermutlich suchte man ihn bereits. Er musste Chapuis direkt erreichen.
    Die verbleibende Zeit würde er damit verbringen herauszufinden, was es mit den Namen in der Liste auf sich hatte. Doch wo sollte er beginnen? Er kannte jemanden beim Bundesamt für Einwanderung. Vielleicht war das ein guter Anfang.

13
    »Herrgott, warum gerade der Letten!«, sagte Elisabeth Kobler. »Seit wir dort geräumt haben, blüht er wieder.« Es klang so, als ob Kobler selbst dabei gewesen wäre, im Februar vor zehn Jahren, als man mit Tränengas und Gummischrot die offene Drogenszene in Zürichs Lettenquartier geschlossen hatte.
    Eschenbach hatte seine Chefin zufällig im Gang getroffen. Überaus herzlich hatte sie ihn begrüßt – und richtig begeistert war sie gewesen vom Führungsseminar auf dem Hasliberg, vom vielen Schnee und von der Weihnachtsbeleuchtung auf der Bahnhofstrasse. Nach ein paar gemeinsamen Schritten waren sie im Büro von Kobler angekommen und Eschenbach hatte seine Chefin kurz über die Vorkommnisse der letzten Nacht orientiert.
    Seit fünf Minuten ließ sich Kobler über den Fundort der Leiche aus, als stünde ein Weltkulturerbe auf dem Spiel.
    »Eine für Zürich ungewohnte Sommerkultur ist dort entstanden«, sagte sie. »Improvisierte Bars, eine Baracke mit Gastrobetrieb, Musik und Freilichtkino. Der Letten sollte in Zürich Schule machen.«
    »Ich weiß«, seufzte Eschenbach. Der Kommissar hatte einen der Besprechungsstühle genommen und sich vis à vis von Kobler an ihren Schreibtisch gesetzt.
    »Und eine Naturoase ist es auch. Wussten Sie, dass eine sehr seltene Art Eidechsen dort lebt?«
    Der Kommissar dachte an den halben Meter Schnee auf der Badeplattform und an Korporal Wältis rote Nase.
    »Blindschleichen und Nachtigallen gibt es auch …«, referierte Kobler. »Stellen Sie sich vor: Nachtigallen!«
    Eschenbach konnte sein Lachen nicht zurückhalten. Er mochte Kobler nicht sonderlich; die Zusammenarbeit war oft schwierig und ihre Logik selten die seine. Aber in Momenten wie diesem, Kobler verlor über den Nachtigallen gerade den Faden, hatte sie etwas Liebenswürdiges, fand er.
    »Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Bei den Nachtigallen.« Eschenbach strahlte sie an.
    »Nein, ich meine …«
    »Beim Letten«, hakte der Kommissar ein. »Die Leiche wurde in die Gerichtspathologie gebracht. Salvisberg schaut sich die Sache an.«
    Kobler nickte zufrieden und es entstand eine kurze Pause.
    »Ach ja.« Eschenbach räusperte sich. »Da ist noch etwas …«
    »Was denn?« Die Polizeichefin hob das Kinn.
    »Die Praktikantenstelle …« Erwartungsvoll fixierte er Kobler. Es kam nichts. Nicht einmal das Zucken einer Augenbraue. »Die ist doch gestrichen«, fuhr er fort.
    »Das war Ihre Idee«, sagte sie und fegte mit der Hand über die aufgeräumte Schreibtischplatte.
    »Genau.« Der Kommissar lächelte.
    Wieder entstand eine kurze Pause.
    »Und jetzt brauchen Sie diese Stelle wieder?«, kam es zögernd von Kobler.
    »Nein, ganz im Gegenteil«, sagte Eschenbach leise. »Ich wollte es nur noch einmal hören, wegen dieser Sache mit Sacher.«
    »Regierungsrätin Sacher, meinen Sie?«
    »Ja. Diesen Pestalozzi, den wir ausbilden sollen. Den kann ich unmöglich nehmen …«
    »Tobias Pestalozzi ist ein Neffe von Regierungsrätin Sacher«, sagte Kobler bestimmt. »Sie hat mich um diesen Gefallen gebeten.«
    Eschenbach zog hörbar Luft durch die Nase. Dann sagte er: »Ich kann doch nicht … ich meine, laut seinen Unterlagen ist dieser Pestalozzi völlig ungeeignet für den Polizeidienst.«
    »Ach was!« Kobler fuhr wieder mit der Hand über den Tisch. »Sie haben schon ganz andere Flegel ausgebildet. Walter Kammermann, erinnern Sie sich? Ihr erster Praktikant … der ist heute Polizeichef von Zug! Und Claudio Jagmetti, der war anfänglich eine schiere Katastrophe …«
    Eschenbach lachte auf, als er an Claudios frühere Eskapaden dachte.
    »Eben! Und jetzt macht der Furore in Chur. Claviezel ist begeistert von ihm.«
    »Die hatten aber auch Talent«, murrte der

Weitere Kostenlose Bücher